"But something, it seems, is rotten in the state of Austria." Als Alison Abbot dies im Editorial von "Nature" schrieb, war noch nicht einmal die Hälfte von dem bekannt, was in den vergangenen vier Jahren an der Urologie der Medizinischen Universität Innsbruck geschehen ist. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft, es gilt die Unschuldsvermutung. Zumal ein Schuldiger ohnehin (vor-)schnell gefunden war - der deutsche Rektor, der sich die Grube für seine Abberufung bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2006 selbst geschaufelt hatte. | Wie das? - Nun, er wollte die Budgetmittel für den klinischen Mehraufwand kürzen, da diese nicht in Lehre und Forschung, sondern zu einem beträchtlichen Teil in die Krankenversorgung flossen. Was beim Land Tirol und dem Krankenanstaltenträger Tilak gar nicht gut ankam.
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In Tirol ist freilich nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar geworden, auf den Österreich zu schwimmt, seit mit den Unis unter den beigegebenen Zauberworten "Ausgründung", "Start up", "Selbstständigkeit" und vor allem "Drittmittelfinanzierung" Kindesweglegung betrieben wurde. Seither sind etliche "Starter" infolge mangelnden Wirtschaftswissens in aller Stille auf die Nase gefallen.
Vor allem aber wurde damit ein System geschaffen, das - insbesondere im medizinischen Bereich - anfällig für allerlei Verstöße wider die guten Sitten scheint: Für dubiose Kooperationen im Hintergrund, irreführende Ankündigungen und falsche Versprechungen, finanziellen Nepp sowie für Studien, die dem wissenschaftlichen Anspruch nicht genügen bzw. der Ethikkommission und einer Prüfung durch fachkompetente Gutachter nicht zur Genehmigung vorgelegt wurden - und nicht zuletzt für den Missbrauch von Patienten. Innsbruck ist da bekanntlich nur der aktuellste Austragungsort.
Irgendwie muss man sich ja verkaufen, wenn einem das als Priorität suggeriert wird und keine schwerwiegenden Folgen daraus zu befürchten sind, wie die gängige Praxis zeigt. Doch das, was Wissenschaft ausmacht - Seriosität und Glaubwürdigkeit -, droht dabei früher oder später auf der Strecke zu bleiben.
Von daher ist es mehr als nur peinlich, wenn sich hoch angesehene, privat finanzierte Institute die so oft zitierten "besten Köpfe" leisten, während an den Unis neuerdings oft ganz andere Qualitäten gefragt sind - nämlich die des Aufstellens von "Zuwendungen". Da reicht bisweilen schon das Gerücht, der Bewerber habe beste Beziehungen zu einer Großbank oder einem Industrieunternehmen, um ihn auf einen Spitzenplatz zu reihen, über Qualifikationsmängel hinwegzusehen und damit zumindest billigend eine Verschlechterung der Qualität von Lehre und Forschung in Kauf zu nehmen.
Natürlich steht Österreich mit diesem System nicht allein da, wurde es doch aus den USA übernommen, wo es recht erfolgreich ist. Allerdings werben dort die Unis selbst um Mittel und schicken nicht ihre (potenziellen) Mitarbeiter vor. Weiters verrät auch dort so manche Studie, dass und in wessen Auftrag - siehe Tabakindustrie versus pharmazeutische Industrie - sie durchgeführt wurde, was bisweilen auch einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlässt. Und schließlich verfügen die USA über bisher ausreichende Kontrollinstanzen, die hier erst in der Gesprächsphase sind.