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Sommerschule als Rettung

Von Gerhard Kohlmaier

Gastkommentare

Wird jetzt nicht gehandelt, dann droht eine zusätzliche Bildungsmisere.


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Das österreichische Bildungswesen dümpelt seit Jahren vor sich hin. Eine Husch-Pfusch-Aktion, inhaltlich abhängig von der jeweils regierenden Partei und deren Ideologie, jagt die andere. Jeder kennt die Diskussion um die Gesamtschule, die Einführung des Faches Ethik, die Förderung von Kindern mit anderer Muttersprache, die unterschiedlichen Maßnahmen, die es umzusetzen gilt, um bessere Pisa-Ergebnisse zu erreichen, und anderes mehr.

Gerade nun, angesichts wegen Corona eingeschränkter Schulöffnungen und deren Folgen, wäre schnelles und konsequentes Handeln der verantwortlichen Politiker wichtig, damit ohnehin bestehende große Bildungsdefizite, die sich seit vielen Jahren angehäuft haben (die diversen Pisa-Vergleiche geben trotz ihrer Problematik genügend Indizien für diese Behauptung her), nicht noch drastischer zunehmen. Vor allem sozial schwächere Bevölkerungsschichten erfahren durch Unterrichtsentfall und das derzeit praktizierte teilweise Distance learning einen weiteren Bildungsrückschritt. Viele dieser Kinder haben weder einen Computer, mit dem sie arbeiten könnten, noch einen geeigneten Arbeitsplatz. Die Hilfestellungen, die ihnen Eltern oder Geschwistern bieten können, halten sich in Grenzen.

Die Lehrer kennen die Problematik. Die vom Unterrichtsminister propagierte "Milde" in der Benotung ändert am Problem nichts, denn auch bei einem positiven Zeugnis bleiben die Defizite und werden in die Zukunft der Schullaufbahn mitgeschleppt. Diese wird somit für zahlreiche jetzt benachteiligten Schüler ein jähes Ende finden, wenn nämlich wieder "Normalität", sowohl im Unterrichtsgeschehen als auch in der Beurteilung von Leistungen, an den Schulen einkehrt.

Zusatzbetreuung in den Sommerferien

Was wäre zu tun, um den Super-GAU für zahlreiche junge Menschen zu verhindern und sie ihrer Zukunftschancen nicht zu berauben? Naheliegend wäre es, ihnen zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten zu sichern, um Versäumtes aufholen zu können. Ein Vermerk im "milden" und hoffentlich positiven Abschlusszeugnis könnte quasi als Eintrittskarte für diese Art von Zusatzbetreuung gelten, die während der Sommerferien an den Schulen angeboten werden sollte. Die Möglichkeit, ein solches Konzept auch in den Semesterferien zu verfolgen, wurde von der Politik ja verschlafen.

Während der Sommerferien? Ich höre schon den Aufschrei von verschiedensten Seiten: Eltern, die ihr Recht auf Urlaub einfordern; Lehrer, die auf ihre wohlverdiente Ferienzeit pochen; die Wirtschaft, die diese jungen Leute inklusive ihrer Eltern lieber (sofern möglich) an Urlaubsdestinationen als Konsumenten weiß.

Aber wenn uns Bildungsmöglichkeiten für alle in unserer Gesellschaft und die Zukunft unserer Jugend nur annähernd das wert wären, wovon die Regierung immer gerne spricht, sollte diese Zusatzmöglichkeit ein Muss sein. Gerade weil aufgrund einer problematischen Bestell- und Impfstrategie der Politik geplante Sommerurlaube im Ausland ohnedies für zahlreiche Familien buchstäblich ins Wasser fallen werden und sich in den zwei Corona-bedingten Rumpf-Schuljahren so schwere Bildungslücken angehäuft haben, dass nicht nur Minderbegabte Schwierigkeiten haben werden, diese in Zukunft zu schließen.

Die Lehrer selbst könnten mit ihrem Engagement in der üblichen Ferienzeit beweisen, dass es ihnen in erster Linie um die Zukunft der jungen Menschen geht und nicht um ihre Freizeit, wie oft unterstellt wird. Außerdem sind sie selbst ja auch in der Urlaubsgestaltung durch die Pandemie gehandicapt. Da sie normalerweise auch in den Ferien arbeiten (Fortbildung, Vorbereitung) und ihnen über diese Tätigkeiten hinaus eigentlich nur derselbe Urlaubsanspruch zusteht wie anderen Arbeitnehmern auch, wird man diese Sommerkurse selbstverständlich auch zusätzlich entlohnen müssen.

Aber das dürfte wohl das geringste Problem sein in einem der reichsten Länder der Welt, in dem der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben sowohl in Hinblick auf das BIP als auch gemessen an den Gesamtausgaben des Staates unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Wer Milliarden in die Hand nimmt, um Unternehmen zu retten oder Panzer zu kaufen, wird doch auch Geld dafür aufbringen können, die Zukunft der Jugend und somit auch des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Auch rechtlich dürfte es kein großes Problem darstellen, denn die Pädagogen sind aus wichtigen dienstlichen Gründen auch in den Ferien abrufbar.

Die Regierung wäre also gut beraten, jetzt die Weichen für ein Unterrichtsgeschehen im Juli und August zu stellen und die Sommerferien heuer entsprechend zu verkürzen. Oder will man wieder zuwarten, bis das Schlamassel manifest geworden ist?