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Sommerspritzer statt Mozartkugeln

Von Martyna Czarnowska

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Martyna Czarnowska ist Redakteurin in der "Außenpolitik".
© Wiener Zeitung

Bei ihrem EU-Vorsitz könnten die Österreicher bestimmte kulinarische Akzente setzen. Ein Plädoyer.


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Im "Café Autriche" gibt es Bier von 12 bis 15 und von 19 bis 23 Uhr. Alkohol wird nur bis 22 Uhr ausgeschenkt, aber Bier eben eine Stunde länger. So steht es dort. Der Andrang in dieser Zeit ist sogar noch größer als am Nachmittag: Journalisten, Delegationsmitglieder, Beamte stellen sich an der Pressebar an, um sich später an den hohen Tischen zu immer neuen Grüppchen zu formieren. Manche von ihnen haben noch eine lange Nacht vor sich, wird die Einrichtung doch am meisten bei den Gipfelsitzungen der EU-Staats- und Regierungschefs genutzt. Und das letzte Treffen zog sich immerhin bis halb fünf Uhr in der Früh.

Das "Café Autriche" befindet sich im Justus-Lipsius-Gebäude, gleich gegenüber der EU-Kommission auf dem Brüsseler Schuman-Platz. Eingeweiht wurde es 2006, von der damaligen österreichischen Außenministerin Ursula Plassnik. Das Land hatte gerade zum zweiten Mal den EU-Vorsitz übernommen. Ein Kaffeehaus als Gastgeschenk für eine EU-Institution schien da durchaus geeignet zu sein.

Dieses Mal sollte es zünftiger zugehen. Die Staffelübergabe der Ratspräsidentschaft von Bulgarien an Österreich, das bis Jahresende die Funktion innehat, war vor einer Woche von einem Picknick auf der Planai in der Steiermark begleitet. Das Volk sollte sich am Feiern beteiligen dürfen, auch wenn es sich dafür Sicherheitskontrollen zu unterziehen hatte. Aber es gab Jausensackerl.

Es mag ja sein, dass die gängigsten Vorstellungen von Österreich mit Bergen verknüpft sind und mit Mozart, dessen Musik zum Auftakt des EU-Vorsitzes in der Brüsseler Metro zu hören war. Doch genau so gut könnten die Österreicher bestimmte kulinarische Akzente setzen. Sie könnten beispielsweise Sommerspritzer kredenzen. Zumindest die Kroaten und die Slowenen wüssten etwas damit anzufangen - in ihren Ländern wird ebenfalls Wein mit Mineralwasser vermischt und das Ergebnis wie in Österreich bezeichnet.

Wie viel Anklang jedoch das Getränk im "Café Autriche" finden würde, ist schon wieder unklarer. Denn in der belgischen Hauptstadt werden die Interessensunterschiede sichtbar, die es auf politischer Ebene in der EU zu vereinbaren gilt - und die auch in der Gastronomie auftreten. Die Italiener beschweren sich über die Qualität des Kaffees, die Franzosen über den Wein, den es in kleinen Flaschen mit Schraubverschluss gibt. Und den Belgiern mit ihrer Biervielfalt, die sich in dutzenden Sorten und den dazugehörigen Gläsern manifestiert, ist ein Sommerspritzer vielleicht auch nicht unbedingt schmackhaft zu machen.

Abgesehen davon möchte vielleicht nicht jeder Alkohol trinken. Schließlich versammeln sich die Menschen im Ratsgebäude am Schuman-Platz zum Arbeiten, nicht zum Vergnügen.

Hier geht es disziplinierter zu als in den vielen Bars und Kaffeehäusern rund um Place Sainte-Catherine unweit des zentralen Großen Platzes oder am Place Jourdan, ein paar hundert Meter vom Justus-Lipsius-Haus entfernt. Dort sitzt so mancher Anwohner schon am Vormittag mit einem Pfiff am Tischchen vor dem Beisl. Dabei hätte ein Spritzer etwas Europäisches - eine anregende Mischung aus Zweien, die zusammen Neues ergeben.