Immer mehr Analysten raten zum Kauf europäischer Aktien, aber die Investoren trauen dem Frieden nicht.
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Kaufen Sie Europa! Ungefähr so könnte man die Pressemeldungen zusammenfassen, die in den letzten Wochen versandt wurden. "Verglichen mit deutschen Bundesanleihen sind europäische Aktien so günstig wie seit 90 Jahren nicht mehr", schreibt etwa das britische Investmenthaus Invesco Perpetual.
Ähnliches attestiert die Erste Group der Wiener Börse: "Der ATX besitzt aktuell ein attraktives Bewertungsniveau" - was im Klartext heißt, dass österreichische Unternehmen derzeit unter ihrem Wert gehandelt werden.
Im Detail errechnete das Research Team der Erste Bank einen Rendite-Unterschied ("spread") zwischen österreichischen Aktien und 10-jährigen Bundesanleihen von 1120 Basispunkten, also 11,2 Prozentpunkten. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich meiden die meisten Investoren derzeit Aktieninvestitionen, weil die Marktentwicklung in letzter Zeit nur sehr schwer abschätzbar war.
Erholung war nur kurz
Dieses risikoaverse Verhalten drückt die Preise, die für Aktien bezahlt werden, weiter und lässt die Börsen schwächeln. Das Wiener Investmenthaus Perseus bleibt daher pessimistisch, was die Aktienmärkte 2012 betrifft. Die kurze Erholung, die sich Anfang des Jahres abgezeichnet hatte, habe nicht gehalten. Der ATX, der heuer schon deutlich über 2600 Punkte gelegen ist, bewegt sich derzeit um die 2000 Punkte-Marke. (Vor der Krise hatte der Leitindex der Wiener Börse übrigens kurzzeitig den Rekordwert von 5000 Punkten durchbrochen.)
Solche Dimensionen werden in absehbarer Zeit nicht erreicht werden. Und es ist auch möglich, dass Aktien "für längere Zeit unter ihrem Fair Value notieren", räumt Invesco ein. Das heißt, dass Unternehmensanteile weiterhin zu günstig an den Börsen gehandelt werden und die Renditen auf Aktien nicht steigen.
ATX volatil
Auch Perseus bleibt mehr als vorsichtig und rät Anlegern "weiterhin jede Art von Risiko-Investments zu meiden" und statt dessen in "Renten- und Immobilienfonds" zu investieren. Allerdings weist die Erste Group darauf hin, dass der ATX seit Jahresbeginn eine "moderat positive Performance" von vier Prozent zu verzeichnen hatte. Das entspreche dem internationalen Trend, "welcher Staaten mit besseren volkswirtschaftlichen Kennzahlen honoriere". Aber der ATX verhalte sich "volatil", er weist also hohe Schwankungen auf. Dennoch geht die Erste Group für den Rest des Jahres "von einer Fortsetzung der moderaten Aufwärtstendenz" aus und prophezeit einen Jahresschlusskurs rund um die 2200-Punkte-Marke.
Natürlich wird diese Entwicklung stark vom Verhalten der Investoren und ihrer Risikofreudigkeit abhängen. Der deutsche Vermögensverwalter Union Investment warnt, dass eine Anlagestrategie, die nur auf Sicherheit ausgelegt ist, für Investoren "teuer" wird, weil sogenannte "sichere Häfen", zu denen unter anderem deutsche und österreichische Staatsanleihen zählen, kaum Rendite abwerfen. Teilweise decken sie nicht einmal die Inflation ab.
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.