In letzter Zeit überschlagen sich die Meldungen über stundenlange Stromausfälle. Diesen Sommer machten zuerst die USA, dann Großbritannien, Skandinavien und am Wochenende Italien mit Verkehrschaos, verdorbener Kühlware und Finsternis Schlagzeilen. Die einst verdammten Produktions- und Leitungsreserven sind Vergangenheit, die Versorgungssicherheit lässt mittlerweile auch in Europa zu wünschen übrig.
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Seitens der österreichischen Energieversorger gibt es keinen Zweifel - die Strommarktliberalisierung hat die Einnahmen beschnitten und damit wurde die Investitionsfreudigkeit massiv gedämpft. Mittlerweile sind die einstigen Kapazitätsüberschüsse abgebaut, Kraftwerke und Leitungen sind am Limit. Schon 2002 führte Italien die europäische Störstatistik mit 190 Minuten an.
Sonderfall Italien
Italien ist ein Sonderfall: Schon im Juni waren sechs Millionen Italiener plötzlich ohne Strom. Die nationale Netzgesellschaft GRTN gab dem französischen Großlieferanten EdF die Schuld. Am Sonntag sorgte ein neuerliches Blackout für Angst und Chaos. Italien ist der größte Stromimporteur Europas. Von den 325 Terawattstunden (TWh) Verbrauch müssen knapp 50 TWh importiert werden. Denn mit der Reform des Energiesektors in den vergangenen Jahren kam der Kraftwerksneubau zum Erliegen. Umständliche Behördenwege und überlange Verfahren leisten das Ihrige zur Misere. Von 19 genehmigten Projekten wurde bisher erst mit drei begonnen. Nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl ist Italien aus der Kernenergie ausgestiegen. Derzeit wittern die Atomkraftbefürworter wieder Aufwind. Sie fordern Atomkraft als "soliden Pfeiler des Versorgungssystems".
Die Netze müssen die Importe aus Frankreich und der Schweiz bewerkstelligen. Doch deren Kapazitäten sind beinahe ausgeschöpft, und so kann der Ausfall einer einzigen Übertragungsleitung weit reichend Ausfälle nach sich ziehen. Für Österreich wäre das Hochpreisland ein attraktiver Exportmarkt, doch bisher fehlt die dafür notwendige Verbindung, die Verlängerung der sogenannten Kainachtal-Leitung wäre für den Verbund eine sprudelnde Einnahmequelle. Derzeit versucht der Verbund mit seiner italienischen Tochter Energia mit einem neuen Kraftwerk in Termoli Gewinne zu machen, bis 2006 soll der Stromabsatz von derzeit 7 auf 17 TWh gesteigert werden.
Dass auch in Österreich ein ähnliches Szenario bevorsteht, schließt Energieregulator Walter Boltz eher aus. "Wir haben ein robustes System," meinte er gestern vor Journalisten. Eine 100%-ige Sicherheit gebe es natürlich nirgendwo. Österreich rangiert bei Stromausfällen am unteren Ende der Stromausfall-Skala: 2002 gab es 42,6 Minuten keinen Strom. Nur die Niederlande und Deutschland sind mit 25 und 15 Minuten ohne Strom noch besser. In Norweger waren es im Vorjahr 180 Minuten.
Einen Zusammenhang zwischen Liberalisierung und gehäuften Stromausfällen will Boltz nicht gelten lassen. Bis heute gebe es keinen Hinweis, dass die Versorgungssituation schlechter wird, argumentiert Liberalisierungsbefürworter Boltz. "Blackouts gab es auch schon vor 15 Jahren. Die Abhängigkeit der Wirtschaft und Bevölkerung vom Strom ist jetzt weit größer ist als früher." Die E-Control kritisiert die heimischen Verteilnetztarife. Diese seien im internationalen Vergleich zu hoch. Deren Beschneidung wird per Verordnung ab 1. Oktober erfolgen. Auf durchschnittlich 4% müssen die Energieversorgungsunternehmen verzichten, manche gar auf 8%. Ab Jänner kommt es zu einer neuerlichen Netztarifreduktion. Dass es nach diesem Eingriff in die Netzeinnahmen zu geringeren Investitionen und Versorgungsengpässen kommt, schließt die E-Control aus.
Die Liberalisierung bewertet Boltz günstig, sie habe zum Abbau von Überkapazitäten und Preistransparenz geführt. Weniger erfreulich sei die Tatsache, dass die Liberalisierungsersparnisse zur Gänze von den neuen Steuern und Abgaben aufgefressen wurden.