Auf Wunsch der SPÖ fand die politische Generaldebatte zum fünften Jahrestag der Angelobung von Schwarz-Blau am Freitag im Plenum des Nationalrats statt. Eigentlicher Anlass der Sondersitzung war jedoch die koalitionsinterne Auseinandersetzung um die Verkürzung des Wehrdienstes. Die spielte jedoch höchstens am Rande eine Rolle, im Kern ging es um nicht mehr und nicht weniger als die bisherige Bilanz dieser Bundesregierung - und die fiel naturgemäß höchst widersprüchlich aus.
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Die Urteile könnten gegensätzlicher nicht sein: Während Bundeskanzler Wolfgang Schüssel - unter Berufung auf die "Neue Zürcher Zeitung" - von einem "Erfolgsmodell Österreich" sprach, zog SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer eine insgesamt vernichtende Bilanz in den Bereichen Arbeitsmarkt, Armutsbekämpfung und Sicherheit.
Der Bundeskanzler beantwortete die Angriffe mit dem Verweis auf Rekordausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik, gestiegene Bruttolöhne und dem Hinweis, dass die Pensionszahlungen trotz Reformen heute deutlich höher liegen als vor fünf Jahren. Ausdrücklich verwehrte
sich Schüssel dagegen, Land und Leistungen "schlecht zu reden".
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen wollte wiederum in seiner Wortmeldung das Lob der internationalen Zeitung nicht allein auf das Konto der jetzigen Bundesregierung verbucht wissen. Statt zufrieden mit dem Erreichten zu sein, forderte der Bundessprecher zusätzliche Initiativen in der Frauenpolitik, konkret beim Wiedereinstieg von Frauen: "Hier wird Humankapital im größten Ausmaß vernichtet".
Naturgemäß zufrieden mit der eigenen Bilanz nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung - insbesondere in ihrem eigenen Bereich - zeigte sich dann wieder FPÖ-Obfrau und Sozialministerin Ursula Haubner: "Die Politik setzt dort Geld ein, wo es unbedingt notwendig ist, für jene Menschen die es brauchen. Dieses Netz werden wir weiter knüpfen."
Die Ursache für die koalitionsinternen Auseinandersetzungen rief dann noch einmal FP-Generalsekretär Uwe Scheuch dem Regierungspartner in Erinnerung, indem er erneut seine Ablehnung der Wehrdienstverkürzung deutlich machte, jedoch zugleich ein Bekenntnis zur Regierungsbeteiligung ablegte: "Wir bekennen uns ganz klar zu dieser Regierung. Es braucht diese freiheitliche Beteiligung."
Angesichts der Live-Übertragung der Sondersitzung im Fernsehen bemühten sich die Redner nach Kräften, für die entsprechende Stimmung zu sorgen, wenngleich manch einer diesbezüglich des Guten zu viel unternahm. So holte sich SP-Klubchef Josef Cap mit dem Vorwurf der "moralischen Verkommenheit" einen Ordnungsruf. Gleiches droht laut Nationalratspräsident Andreas Khol künftig übrigens für die Verwendung des Wortes "grassern" - laut Cap gleichbedeutend mit "schummeln und flunkern" - , da Khol darin eine Verunglimpfung des Namens des Finanzministers sieht.
Der Entschließungsantrag der SPÖ auf gesetzliche Verkürzung der Wehrpflicht von acht auf sechs Monate - Verteidigungsminister Günther Platter hatte die Verkürzung per Verordnung vorgenommen - wurde übrigens von ÖVP und FPÖ abgelehnt.