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Die SPÖ reicht einen Neuwahlantrag ein, die FPÖ will die Verfassung ändern, um Wolfgang Sobotka abwählen zu können.
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Die innenpolitische Woche wird einmal mehr von Thomas Schmid und seinen Befragungsprotokollen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beherrscht: Am Mittwoch tritt der Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammen, bevor Schmid am Donnerstag Auskunftsperson im ÖVP-Untersuchungsausschuss sein wird.
Bei der von SPÖ und FPÖ gemeinsam beantragten Sondersitzung will die Opposition den Druck auf die ÖVP - und die Regierung - erhöhen. Schon beim Antrag kündigte die SPÖ an, einen Neuwahlantrag einreichen zu wollen. Der hat bei der türkis-grünen Mehrheit im Nationalrat allerdings wenig Chancen auf Erfolg. Die Neos kündigten am Feiertag an, für drei Neos-Entschließungsanträge eine Frist setzen zu wollen. "Im Gegensatz zur Regierung und zu SPÖ und FPÖ ist es uns wirklich ernst mit den Reformen", sagt Nikolaus Scherak in einer Aussendung. In den Anträgen, die zwischen November 2019 und April 2020 eingebracht wurden, verlangten die Neos das Schließen von Lücken im Korruptionsstrafrecht, die Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft und ein Informationsfreiheitsgesetz. Die Anträge werden in den Ausschüssen seitdem vertagt.
Verfassungsänderung für Abwahl Sobotkas
Die FPÖ trägt wiederum eine Forderung, die schon länger im U-Ausschuss herumgeistert, in den Nationalrat: Sie will Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Nationalratspräsidenten abwählen können. Doch dafür müsste erst die Verfassung geändert werden. Weder im U-Ausschuss noch im Nationalrat sehen die Geschäftsordnungen eine solche Abwahl vor. Da Sobotka seiner "moralischen Verantwortlichkeit" nicht nachkomme, "benötigt der Nationalrat rechtliche Mittel, um sein Ansehen zu schützen", schreibt die FPÖ.
Verfassungsjurist Heinz Mayer meinte schon vor Jahren, dass eine solche Regelung zur Abwahl "einfach vergessen" worden sei. Und der Jurist Peter Bußjäger meinte vor Kurzem zu ORF Online, dass eine Abwahl "nicht unbedingt auf der Hand liege". Grund ist die ursprünglich als über den Parteien stehende Rolle des Nationalratspräsidenten, die sich mit der Zeit verändert hat. Schon in der Vergangenheit gab es Versuche, so eine Abwahlmöglichkeit einzuführen. Sie scheiterten immer an der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit. So wohl auch dieses Mal, da die Volkspartei über mehr als ein Drittel der Abgeordneten verfügt und den FPÖ-Antrag so am Ende blockieren kann. In einem ersten Schritt wird er dem zuständigen Verfassungsausschuss zugewiesen werden.
Nehammer auf Abstand zu Debatte um Korruption bemüht
Ein weiteres Ziel ist es, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit einer Dringlichen Anfrage zu einer Stellungnahme zu den Korruptionsfällen zu treiben. Nehammer versucht seit Längerem, das Thema von sich fernzuhalten. Nach der TV-Ansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, in der er angesichts der ÖVP-Affären "eine Generalsanierung des Vertrauens" verlangte, meinte Nehammer, dass er die Worte "sehr ernst" nehme, nur um zu ergänzen, dass Teuerung und Inflation "die echten Probleme der Menschen" wären. Kurz nach seinem Antritt als Bundeskanzler meinte er in einem Interview im Dezember 2021: "Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem."
Anders sieht das die Opposition: Die SPÖ spricht von einer fehlenden Bereitschaft, die ÖVP-Korruptionsfälle aufzuarbeiten und FPÖ-Chef Herbert Kickl von einem "korruptiven System der Türkisen". Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger meinte bei der Neos-Mitgliederversammlung vom 22. Oktober, dass Nehammer genug Zeit gehabt hätte, aufzuräumen. Und weiter: "Die ÖVP braucht einen kalten Entzug von Korruption."
Volkspartei sieht SchmidsAussagen widerlegt
Auch abseits der Sondersitzung arbeitet sich Österreichs Innenpolitik an den Schmid-Protokollen ab: Nach dessen Aussagen, Wolfgang Sobotka habe 2014 wegen Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut und der Erwin-Pröll-Stiftung interveniert, prüfte das Finanzministerium einmal mehr seine Aufzeichnungen. Laut Siegfried Manhal, dem Leiter der österreichischen Finanzämter sei das Alois-Mock-Institut zwischen 2014 und 2019 nicht geprüft worden. Eine Prüfung der Erwin-Pröll-Stiftung habe es nur 2017 gegeben und der zuständige Dienststellenleiter könne sich an keine Interventionen erinnern, schreibt Manhal in einer Mail, die an den U-Ausschuss geliefert wurde. Für die ÖVP ist das der Beweis, dass Schmids Vorwürfe gegen Sobotka haltlos sind.
Die Opposition reagierte wiederum mit Kritik an der Darstellung der ÖVP, da Manhal selbst auch in den Befragungsprotokollen von Thomas Schmid vorkommt. Er ist Teil der Ermittlungen gegen ÖVP-Klobobmann August Wöginger. Manhal war Vorsitzender jener Begutachtungskommission, die bei der Besetzung des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding den weniger qualifizierten Kandidaten (und ÖVP-Bürgermeister) erstgereiht hat, für den Wöginger interveniert haben soll. Auf Nachfrage meinte Schmid zwar, dass er mit Manhal keinen Kontakt hatte, die Besetzung der Kommission aber nur durch die Besetzung des Finanzamtes möglich gewesen sei. Das wäre "der entscheidende Faktor", so Schmid.
ÖVP bezahlt Anwaltskostenvon Sebastian Kurz
Generalsekretär Christian Stocker gab im "ZiB"-Interview mit Armin Wolf am Montag bekannt, dass die ÖVP weiterhin für die Anwaltskosten von Sebastian Kurz aufkomme. Ob das die Partei auch für andere ÖVP-Beschuldigte tut, konnte Stocker nicht sagen. Er glaube aber nicht, dass die ÖVP die Anwaltskosten von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zahle, so Stocker.
Im Vorfeld gab es außerdem Streitereien um den Termin der Sondersitzung. Weil Nehammer vergangene Woche im Ausland war, setzte Nationalratspräsident Sobotka die Sitzung für den 2. November an. Und damit ausgerechnet an einem nun abgesagten Sitzungstag des ÖVP-U-Ausschusses, an dem Rene Benko geladen gewesen wäre. Sein Kommen war dem Vernehmen nach aber noch nicht bestätigt, beim Ersatztermin soll er schon verhindert sein.