Auf dem Asiatisch-Pazifischen-Wirtschaftsforum in Peking ist der Gastgeber in Hochform.
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Peking. Der gelernte Pekinger ist es gewohnt, zum Wohle des Vaterlandes das eine oder andere Opfer zu bringen. Doch was mit Apec, dem "Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum", über ihn hereinbrach, brachte selbst den einen oder anderen Hauptstädter an den Rand der Contenance. Für das wichtigste internationale Ereignis seit den Olympischen Spielen 2008 setzten die Stadtväter alle Hebel in Bewegung, um neben mutmaßlichen Terroristen auch Zustelldienste und Babymilch-Kuriere zu stoppen, da die von ihnen genutzten Elektro-Dreiräder kurzerhand aus dem Straßenverkehr verbannt wurden.
Mitarbeiter von Staatsbetrieben bekamen eine Woche Sonderurlaub, mit der impliziten Aufforderung, entweder aus der Festungsstadt zu verschwinden oder sich ansonsten nicht auf den Straßen blicken zu lassen - zumindest nicht mit dem Auto, da der Verkehr über eine Nummernschild-Regulierung ohnehin zur Hälfte reduziert wurde. Auch sonst ließen die Behörden nichts unversucht, ihren internationalen Staatsgästen aus 21 Ländern jene schlechte Luft zu ersparen, die sie ihren Bürgern ansonsten jeden Tag zumuten. Hunderte Fabriken und Stahlwerke rund um den Konferenzort wurden vorübergehend stillgelegt, und selbst die Toten müssen warten - der Revolutionsfriedhof Babaoshan hat das traditionelle Verbrennen der Kleider bis zum Tagungsende ausgesetzt.
Tauwetter zwischenJapan und China
Der Erfolg dieser Maßnahmen war enden wollend: Die Feinstaubwerte pendelten sich am Montag bei 150 ein - das EU-Limit liegt bei 25 - und ein grauer Dunst legte sich über die Stadt, während nach und nach die Staatsführer und Präsidenten über abgesperrte Autobahnen zu ihren Hotels gebracht wurden. Und dennoch schien buchstäblich etwas in der Luft zu liegen, als in den Mittagsstunden das vermeintlich Unmögliche möglich wurde und Chinas Staatspräsident Xi Jinping persönlich auf Japans Premierminister Shinzo Abe traf. Gewiss, es gab bei derartigen Treffen bereits freundlichere Gesten und innigeres Händedrücken, doch wenn man bedenkt, dass die beiden Nationen noch im Sommer mehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig Unfreundlichkeiten auszurichten, war dieses halbstündige Treffen schlichtweg eine Sensation.
Ermöglicht wurde das unerwartete Tauwetter einerseits dadurch, dass China Apec - ein loser, internationaler Zusammenschluss mit dem unverbindlichen Ziel, im pazifischen Raum eine Freihandelszone zu errichten - große Bedeutung einräumt und das Forum politisch aufwerten möchte. Um den Erfolg des Gipfels nicht zu gefährden, sprang Präsident Xi über den eigenen Schatten und traf sich mit dem nationalkonservativen Abe, dem man in der Volksrepublik Militarismus und ein falsches Geschichtsbild vorwirft.
Ermöglicht wurde die Aussprache andererseits durch ein Treffen der beiden Außenminister am Freitag, bei dem sie sich darauf einigten, sich nicht einig zu sein und unter anderem in der Frage der umstrittenen Senkaku-Diaoyu-Inseln Differenzen einräumten. Xi forderte seinen Gast, den er seit seiner Amtsübernahme 2012 noch nie persönlich getroffen hatte, auf, in der Militär- und Sicherheitspolitik vorsichtig zu sein und sich an die am Freitag getroffenen Vereinbarungen zu halten.
Abe wiederum zeigte sich optimistisch und schlug eine Art Krisentelefon vor, um die Kommunikation zwischen der zweit- und drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt auch im Falle von maritimen Spannungen zu gewährleisten. Eine Zusage, in Zukunft auf den Besuch des kontroversen Yasukuni-Schreins zu verzichten, wo auch japanische Kriegsverbrecher geehrt werden, machte er allerdings nicht.
Freihandelsabkommen zwischen China und Südkorea
Und dennoch sah man zum Auftakt des Gipfeltreffens - abgesehen von den Pekinger Stadtbürgern - viele frohe Gesichter. Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye lächelte in die Kameras, als sie die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit China und eine Beseitigung der Zollgebühren auf mehr als 90 Prozent des Güterverkehrs für die kommenden 20 Jahre verkündete.
Vietnams Präsident Truong Tan Sang wirkte gelöst, als ihm sein kommunistischer Amtskollege Xi versicherte, die Dispute in der Südchinesischen See friedlich lösen zu wollen - dort hatte China sein Interesse an Bodenschätzen zuletzt durch das Verankern von Ölplattformen robust vertreten.
Russland verstärkt Gaslieferungen an China
Apropos Öl: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin erholte sich am Montag von den Folgen einer langen Nacht, denn es gab am Tag davor einiges zu feiern. Xi und Putin, die beiden neuen ziemlich besten Freunde auf dem internationalen Parkett, unterzeichneten eine Absichtserklärung für Gaslieferungen nach China, welche die Abhängigkeit Russlands vom europäischen Markt weiter reduzieren soll. Offensichtlich in Geberlaune ließ Putin daher ausrichten, dass er am Rande des Gipfels auch zu einem informellen Treffen mit US-Präsident Barack Obama bereit wäre.
Doch der war offensichtlich nicht in bester Stimmung, als er in den Vormittagsstunden langsam die Air Force One verließ, um sofort zu einem Treffen mit elf Staatsführern zu eilen, die der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) angehören. Diesem Handelspakt gehören weder Russland noch China an, und der Gastgeber dürfte die Geste verstanden haben. Die Beziehungen zwischen den beiden Supermächten sind durch die Pazifik-Strategie der USA ohnedies unterkühlt bis angespannt, und Obama kommt nach den Kongresswahlen angeschlagen nach Peking.
Innenpolitisch für die letzten Jahre seiner Amtszeit handlungsunfähig, könnte Obama versuchen, außenpolitisch zu punkten, indem er sich zumindest bei einigen unstrittigen Punkten mit China einigt, etwa beim Kampf gegen Ebola oder die Terrormiliz IS. Im Bereich des Möglichen liegt auch eine Annäherung beim Klimaschutz - hier möchten die USA gemeinsam mit China Ende 2015 beim Klimagipfel in Paris den Ton angeben, um ein internationales Abkommen zu erzielen. US-Außenminister John Kerry räumte am Wochenende ein, dass beide Länder "leider" für 45 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich seien. Offensichtlich schien ihn die schlechte Luft in Peking an gewisse Versäumnisse zu erinnern.