Wissenschafter liefern eine Erklärung für das Verhalten Sonnenhungriger.
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Massachusetts/Wien. Wie Süchtige strömen alljährlich unzählige Sonnenanbeter ins Freibad, Strandbad oder auch ans Meer. Und das trotz der weit gestreuten Warnungen, dass UV-Strahlung die Entstehung von Hautkrebs begünstigt. Tatsächlich kann dabei von einem Suchtverhalten gesprochen werden, wie Wissenschafter des Massachusetts General Hospital und Harvard Medical School aktuell in der Fachzeitschrift "Cell" berichten.
Denn die durch die UV-Strahlung ausgeschütteten Wohlfühlhormone, die Endorphine - körpereigene schmerzstillende Stoffe -, benutzen im Organismus dieselben Leitbahnen wie etwa Heroin. Regelmäßige Sonnenbäder könnten daher, ähnlich wie Drogen, abhängig machen.
Meistverbreitetes Karzinogen
20.000 bis 30.000 Menschen erkranken in Österreich jährlich an einer Form des Hautkrebses. Als Hauptursache dafür gilt die UV-Strahlung. Während die Sonnenbrand verursachenden UVB-Strahlen eher sogenannte Basalzellkarzinome (weißer Hautkrebs) hervorrufen, können die UVA-Strahlen das besonders gefährliche Maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) bilden.
Trifft UV-Strahlung auf die Haut, kommt es zur Bildung von Proopiomelanocortin (POMC), einem Protein, das wiederum die Produktion des die Haut braun färbenden Pigments Melanin ankurbelt. Aus POMC wird ebenso der körpereigene Schmerzkiller Beta-Endorphin gebildet. Die Forscher wollten nun wissen, ob die UV-Strahlung diesen Hormonspiegel nur in der Haut oder auch im Blut verändert, wodurch erst eine abhängig machende Wirkung zustande kommt.
Für insgesamt sechs Wochen setzten die Forscher rasierte Mäuse regelmäßig UV-Licht aus. Vergleichbar war die Intensität mit einem 20- bis 30-minütigen Aufenthalt unter der Mittagssonne Floridas. Schon nach einer Woche erhöhte sich der Endorphin-Spiegel im Blut der Nagetiere. Zudem waren die Mäuse deutlich schmerzresistenter. Wurde den Tieren eine Substanz (Naloxon) verabreicht, die die Wirkung an den sogenannten Opioid-Rezeptoren blockiert, traten Entzugserscheinungen wie Zittern und Zähneklappern zutage. Auch mieden die Mäuse jenen Ort, an dem sie das Medikament erhalten hatten, berichten die Forscher. Hingegen zeigten Tiere, die aufgrund einer Genveränderung kein beta-Endorphin bilden konnten, weder eine Schmerzunempfindlichkeit noch Entzugserscheinungen.
Vitamin D
"Es ist überraschend, dass wir genetisch dazu programmiert sind, von etwas so Gefährlichem wie der UV-Strahlung abhängig zu werden. Noch dazu von dem weltweit wahrscheinlich am meisten verbreiteten Karzinogen", betont Studienautor David Fisher von der Harvard Medical School in der Fachzeitschrift.
Die Wissenschafter vermuten, dass der Drang zur Sonne mit der Vitamin-D-Produktion in der Haut zusammenhängt. Doch gebe es heutzutage - etwa mit Nahrungsergänzungsmitteln - zuverlässigere Quellen, dieses Hormon aufzunehmen. Dem Krebsrisiko durch UV-Licht kann damit Einhalt geboten werden.
"Diese Informationen könnten als wertvolles Mittel zur Aufklärung dienen, um das Hautkrebsrisiko und auch die damit einhergehende vorzeitige Hautalterung durch übermäßige Sonneneinstrahlung einzudämmen", stellt Fisher fest. "Unsere Entdeckungen lassen vermuten, dass die Entscheidung, unsere Haut oder die unserer Kinder zu schützen, eine bewusste Anstrengung erfordert."