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Eine DVD-Doku will die Geschichte der Megalith-Kultur revidieren. | "Europa ist ganz und gar germanisch." | Wien. "Ein wichtiger Hinweis für die nordische Herkunft der Hünengrableute, die auch Megalith-Bauern genannt werden, sind die von ihnen verehrten Götter: Es waren die Wanen, allesamt nordische Gottheiten", verkündet der Kommentarsprecher in deutlich akzentuierendem Bariton.
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Die DVD "Auf den Spuren der Giganten", erschienen bei "Discovery Movies" und unschwer im einschlägigen Handel zu bekommen, beschäftigt sich mit der Megalithkultur. Ein komplexes Gebiet, das nicht völlig erforscht ist - was Möglichkeiten der ideologischen Interpretation bietet. Selbst wenn man nachgewiesene Fakten notfalls außer Acht lassen muss. Die Schöpfer von Stonehenge, von denen in Wirklichkeit niemand weiß, welche Gottheiten sie angerufen haben, waren demnach jedenfalls "Nordmenschen".
Auch die Steinsetzungen von Carnac sind demnach den Köpfen dieser Nordmenschen entsprungen. Was frei von der Leber weg behauptet werden kann, weil niemand weiß, wem die Menhire und Dolmen an der Bucht von Quiberon zuzuschreiben sind. Deren Zweck: "Die Ost-West-Ausrichtung der Menhir-Reihen erlaubt die Interpretation eines praktizierten Sonnenkultes", und der sei "ein weiterer deutlicher Hinweis auf die nordische Abstammung dieser Menschen, denn alle Sonnenkulte stammen aus dem Nordischen Kreis". Womit die Ägypter der Antike, die vor-islamischen Perser mit ihrem Mithras-Kult und sogar die Mayas, deren Staatsreligion ein Sonnenkult war, als "Nordmenschen" ausgewiesen sind.
"Nordmenschen überall"
Als Begleitmusik zu all den nordmenschlichen Worten dräut heldentumsschwanger Musik Richard Wagners, zumeist der Trauermarsch aus der "Götterdämmerung". Fallweise verbreitet auch Edvard Grieg nordisches Zwielicht.
Zwielicht? - Um Sols Willen, Sonnenlicht natürlich, denn auch "Stone henge war ein Ort für die rituellen Zeremonien des Sonnenkultes der Nordmenschen".
Woran sich die Nordmegalithiker orientierten, scheint klar: "Der Ahnenkult, wesentlicher Ausdruck ihres Glaubens, begleitete sie, wohin sie auch zogen. Überall, wo sie sich niederließen, errichteten sie die gleichen Monumente zu Ehren ihrer Toten."
Wen interessiert es da, dass die neuere Forschung davon ausgeht, es habe eine solche Megalithkultur-Missionierung nie gegeben. Vielmehr sei die Megalithkultur um etwa 4700 vor Christi auf dem Gebiet des heutigen Frankreich erstmals aufgetreten.
Megalithische Steinsetzungen in der anzunehmenden nordmenschlichen Urheimat, also etwa in der Gegend Nord-Norwegens, gibt es nicht nur nicht: Die auf Südschweden beschränkte nordische Megalithkultur war mit einem ungefähren Beginn um 3500 vor Christi sogar relativ spät dran.
Griechen und Römer
Schließlich endete die Megalithkultur, so die DVD, als "Hirtenvölker", die aus dem Osten kamen, sich mit den Nordmenschen vermischten, woraus die Germanen entstanden. Wie sie lebten, zeigt die DVD anhand eines Ausschnitts aus einem Propagandafilm der SS-Forschungseinrichtung "Deutsches Ahnenerbe". Ihre primäre Aufgabe bestand darin, die angebliche Überlegenheit der sogenannten arischen Rasse wissenschaftlich zu legitimieren. Als die Germanen auf den Plan traten, meint die DVD, war es "nicht nur der Aufbruch in eine neue Zeit, es war auch die Geburtsstunde der Völker Europas". Womit Griechen und Römer Germanen wären.
Und immer noch stehen die Steinsetzungen der Nordmenschen: "Mahnend wie gewaltige Zeigefinger gen Himmel gerichtet erinnern die Menhire daran, dass das, was den Vätern heilig war, die Enkel immer ehren und bewahren sollen." Vielleicht auch die Praxis der Menschenopfer im Moor.
Dass in der Discovery-Movies-Doku "Als Deutschlands Städte starben" über den Bombenkrieg der Alliierten als "Experte" der Holocaust-Leugner David Irving auftritt, sei dabei nicht nur am Rande vermerkt.