Sonnenblumen drehen sich zum Licht, damit sie hoch hinaus wachsen können. | Zudem bringt ihnen das einen evolutionären Vorteil: Warme Blütenkörbe werden häufiger bestäubt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Über ihre dunkelgrünen Stängel wenden sie ihre großen, strahlend gelben Blüten der Sonne zu. Sonnenblumenfelder zählen zu den farbenprächtigsten Ereignissen, mit denen die warme Jahreszeit in ihre letzte Etappe startet: Der Spätsommer beginnt. Doch warum beten diese hohen Pflanzen die Sonne an, und vor allem wie drehen sie sich?
US-Forscher haben dieses Rätsel nun entschlüsselt. Die Sonnenblumen müssen ökonomisch vorgehen. Zwischen Frühling und Spätsommer muss aus einem winzigen Kern eine zwei Meter hohe Pflanze mit hunderten neuen Kernen entstehen. Um das zu bewerkstelligen, muss die Art am Anfang rund um die Uhr Sonnenstrahlen "ernten". Nur so bekommt sie genügend Energie, um in kürzester Zeit sehr groß zu werden. Im Schatten bleiben Sonnenblumen hingegen deutlich mickriger.
Anders als augenscheinlich sein mag, steuert die Sonnenblume ihre Dreh-Bewegung nicht von oben, sondern von unten. Pflanzen-Signalstoffe schießen in den Stamm und drehen die Pflanze so, dass die Blätter möglichst viel Licht einfangen können. Die Blütenkörbe bewegen sich naturgemäß mit. Das hat zur Folge, dass sie stets wohlig warm sind, wodurch sie häufiger bestäubt werden: Je höher die Temperatur steigt, desto fleißiger werden die Insekten.
Winslow Briggs, Pflanzenphysiologe an der Universität Stanford in Kalifornien, erläutert ebenfalls in "Science", wie die Signalstoffe der Sonnenblumen in die Gänge kommen. Während andere Gewächse Zellen besitzen, die mit dem Sonnenstand schrumpfen oder wachsen, behilft sich die Sonnenblume mit Auxin. Auxin ist ein Pflanzenhormon, das das Wachstum steuert. Es sorgt dafür, dass die Sonnenblume ihre Stängel auf der sonnigen Seite schneller wachsen lässt als auf der schattigen. In der Früh neigen sich die kleinen Pflanzen in Richtung Osten, sodass die Blattflächen zur Morgensonne schauen. So erntet das Gewächs die größtmögliche Menge an Energie. "Auf seiner Ostseite produziert ein Sonnenblumen-Stängel zu dieser Zeit dann relativ große Mengen von Auxin", messen Harmer und ihre Kollegen.
Innere Uhr als Taktgeber
Während Sonnenblumen-Pflänzchen also am Vormittag auf ihrer Ostseite schnell wachsen, tut sich wenig auf der Westseite. Gegen Mittag steht die kleine Sonnenblume senkrecht und ihre Blätter sammeln möglichst viele Strahlen von der Sonne im Zenit. Am Nachmittag neigt sie sich dann allmählich nach Westen, damit die Blattflächen die Strahlen bis zum Sonnenuntergang bekommen. In der Nacht messen die Forscher auf der Westseite der Stängel mehr Auxin als auf der Ostseite - nachts wächst also die Westseite, während die andere Seite stagniert. Im Morgengrauen richtet sich der Stängel dann wieder auf und die Blume beginnt sich in die Frühposition zurück zu krümmen. So läuft es Tag für Tag.
Dieser rhythmische Ablauf folgt einer inneren Uhr, berichten die Forschenden. In einem Experiment züchteten sie die Pflänzchen bei künstlicher Beleuchtung im Labor. Strahlten LED-Lampen in einem Tag-und-Nacht-Rhythmus von nicht 24 sondern 30 Stunden, kam das Wachstum völlig durcheinander.
Zudem stellten die Wissenschafter fest, dass Sonnenblumen zu Sonnenaufgang am kräftigsten wachsen. Das könnte erklären, warum erwachsene Exemplare ihre Drehbewegung einstellen und den ganzen Tag nach Osten schauen. In einem Experiment drehte das Team einige Topfpflanzen den ganzen Tag gegen Westen. Bei ihnen zählten sie nur einen Bruchteil der Insekten wie bei Topfpflanzen unter normalen Bedingungen. Wärmten sie die West-Blüten mit Heizgeräten, kamen auch hier mehr Bestäuber. Offenbar verbessern erwachsene Blumen ihren Fortpflanzungserfolg, wenn sie ständig nach Osten schauen, folgern die Forscher.