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Sorge mit dem Tanktourismus

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Österreichs Streben nach dem Kyoto-Ziel werde durch eine verzerrte Bewertung der Emissionen durch den Tanktourismus - vor allem aus Deutschland - erschwert, erklärte gestern Umweltminister Josef Pröll. Die Deutschen schmunzeln. Sie konzentrierten sich, wie auch die luxemburgische Ratspräsidentschaft, eher auf die EU-Klimaschutzziele nach 2012.


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Josef Pröll gab sich beim Umweltministerrat in Brüssel äußerst besorgt. Er ringt mit der Erreichung des Kyoto-Ziels. Konkret verlangt das am 16. Februar in Kraft getretene Abkommen von Österreich die Verringerung des Treibhausgasausstoßes um 13 Prozent bis 2012 im Vergleich zu 1990. "Der Tanktourismus macht es uns schwer, das Ziel zu erreichen", erklärte der Umweltminister.

Allein 30 Prozent der Österreich zugerechneten Verkehrsemissionen oder zehn Prozent des gesamten Einsparungsbedarfs werden gar nicht im Land ausgestoßen, besagt eine neue Studie unter Mitarbeit der TU Graz. Bloß durch in Österreich gekauften Treibstoff verursacht wurden demnach 7,3 Mio. Tonnen Kohlendioxid im Jahr 2003. Bei der Bilanzierung der Emissionen nach dem tatsächlichen Inlandsverbrauch wären die Schadstoffe aus dem Verkehr von 1990 bis dahin nur um 17 statt wie ausgewiesen um etwa 70 Prozent gestiegen, schließen die Wissenschaftler.

"Keine Steuerdebatte"

Eskaliert sei der Tanktourismus nach der Einführung der deutschen Ökosteuer 1999. Die Steuer auf Mineralöl liege im Nachbarland um 150 Prozent höher. Keineswegs wolle er aber eine Steuerdebatte vom Zaun brechen, beteuerte Pröll. Nimmt doch der österreichische Finanzminister 800 Mio. Euro im Jahr zusätzlich durch die Tanktouristen ein. Nein, für eine Revision der Bewertungsmethode wolle Pröll sich einsetzen. Das sei nur fair und habe keinerlei Auswirkungen auf die gesamteuropäischen Umweltziele.

Ein recht aussichtsloses Unterfangen - müsste dies doch von allen EU-Umweltministern gemeinsam beschlossen werden. Und der deutsche Kollege Jürgen Trittin hat gar keine Absicht, darüber zu diskutieren. "Ich glaube nicht, dass der Tanktourismus das eigentliche Problem für das österreichische Kyoto-Ziel ist", meinte er schmunzelnd mit Verweis auf die in Österreich angedachte Erhöhung der Tempolimits auf Autobahnen von 130 auf 160.

EU-Klimaschutzziele bis 2050

Unterdessen haben sich die EU-Umweltminister am Gipfel auf ehrgeizige Klimaschutzziele für die Zeit nach dem Kyoto-Abkommen ab dem Jahr 2012 geeinigt. Damit folgten sie einem Vorschlag der luxemburgischen Ratspräsidentschaft, der eine Reduktion von Treibhausgasen durch die Industriestaaten um 15 bis 30 Prozent bis 2020 und um 60 bis 80 Prozent bis 2050 vorsieht. Die Vorgaben sind als "Zielpfad" und nicht konkrete Ziele definiert, hieß es aus Delegationskreisen in Brüssel. Österreich und Deutschland unterstützten diesen Vorschlag von Anfang an. Die Kommission hingegen wollte keine Zahlen festschreiben, bevor weitere Verhandlungen mit den USA und den Entwicklungsländern über den Beitritt zum Kyoto-Abkommen stattgefunden haben.