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Weniger Russland-Öl für Osteuropa. | Neuer Schub für Pipeline Schwechat-Pressburg? | Wien. Der internationale Ölbroker PVM warnt vor einem Rückgang der russischen Öllieferungen Richtung Osteuropa. Grund dafür ist der überraschend beschlossene Bau einer neuen russischen Pipeline zur Ostsee, mit der Russland nach einem Streit um Transitgebühren mit Weißrussland den Öltransport durch die osteuropäische Pipeline Druschba ("Freundschaft") umgehen will. Nach der Fertigstellung 2009 werde sich die Öltransportmenge auf der Druschba von heute 1,6 Millionen Fass pro Tag auf 600.000 Fass reduzieren, erklärte PVM-Geschäftsführer Johannes Benigni am Freitag in Wien.
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Betroffen davon seien acht Staaten, insbesondere Polen, Weißrussland, Litauen und die Ukraine, aber auch Tschechien, Deutschland, die Slowakei und Ungarn. Die dortigen Raffinerien müssten sich verstärkt um - teurere - Öllieferungen aus anderen Quellen bemühen - vor allem per Schiff über die Ostsee. Litauen, wo Russland wegen des Verkaufs der dortigen Raffinerie an die polnische PKN Orlen bereits den Ölhahn zugedreht habe, beziehe Öl jetzt aus Venezuela und Kuwait.
Für die Slowakei gewinnt dadurch laut Benigni außerdem der seit vier Jahren auf Eis gelegte Plan zum Bau einer Pipeline zwischen Schwechat und Pressburg wieder an Bedeutung. Die rund 25 Millionen Euro teure 60 Kilometer lange Ölleitung mit einer Kapazität von 72.000 Fass pro Tag sollte die Druschba mit der Adria-Wien-Pipeline verbinden und eigentlich bereits 2008 fertig werden. Jetzt wäre ein sogar umgekehrter Ölfluss von West nach Ost denkbar.
Österreichs Ölversorgung hängt - anders als die der Slowakei und Ungarns - nicht an der Druschba. Drei Viertel des Öls für Österreich nehmen den Weg über Italiens Ölhäfen.
Zweifel an der mittelfristigen Versorgungssicherheit mit russischem Gas hatte am Donnerstag bei einem Symposium der E-Control der niederländische Energieexperte Jacques De Jong vom Den Haager Clingendael-Institut angemeldet. "Es ist nicht möglich, eine angemessene Einschätzung der Verfügbarkeit von russischem Gas zu treffen", sagte der frühere niederländische Energieregulator.
"Um seine Exportverpflichtungen zu erfüllen, wird Russland zunehmend auf Importe aus den zentralasiatischen Ländern zurückgreifen müssen." Denn einerseits steigen die Nachfrage im Heimmarkt und Lieferungen nach Asien, andererseits sei es die Frage, ob die erforderlichen großen neuen Felder rasch genug in Produktion gebracht werden könnten. Laut einer von de Jong zitierten Studie erreichen staatliche Konzerne wie Gazprom - die weltweit 80 Prozent der Öl- und zwei Drittel der Gasreserven kontrollieren - dabei nur rund ein Drittel der Effizienz der börsenotierten Ölmultis.
Ins gleiche Horn stieß IEA-Chef Claude Mandil in einem Interview mit der französischen Tageszeitung "Le Monde": "Die großen Unternehmen wie Exxon, Shell, BP oder Total haben ein ernstes Problem: Ihre 'Ziele' werden immer seltener." Die Welt sei zur Versorgung mit Öl auf immer weniger Produzentenländer angewiesen, sagte Mandil. Wenn die Konzerne wegen eines Kriegs oder aus politischen oder administrativen Gründen nicht investieren könnten, wo es Reserven gibt, "stehen wir vor großen Problemen".
"10 Dollar Spekulation"
Der Ölpreis ist nach erhöhten Nachfrage-Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) am Freitag auf den höchsten Stand seit fast einem Jahr gestiegen. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Nordseeöl der Sorte Brent, die derzeit als Gradmesser am Markt gilt, stieg um 91 Cent auf 77,31 Dollar. Benigni und andere Analysten sehen allerdings keine fundamentale Knappheit: "Das ist reine Spekulation, Öl ist um gut zehn Dollar zu teuer."