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+++ Jeder dritte Patient bei Notar oder Anwalt. | Gastinger will intensivere Betreuung. | Wien. "Ich kenne eine Rechtsanwaltskanzlei, die 2000 Personen besachwaltet", wettert der Arzt und Wiener Pflegeombudsmann Werner Vogt, "die können keinen Kontakt mit ihren Klienten haben".
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Der Verein für Sachwalterschaft weiß von diesem konkreten Fall nichts, aber "Zahlen jenseits von 700 besachwalteten Personen pro Kanzlei sind es teilweise schon". Bei der vom Justizministerium unterstützten Organisation sorgt ein Sachwalter für 40 Patienten, die "mehrmals im Monat" besucht werden. "Das ist wichtig, um ihre Bedürfnissen zu kennen. Der überwiegende Teil unserer Klienten ist noch wahrnehmungsfähig. Nur einige wenige sind nicht mehr ansprechbar."
Bei den ganz oder teilweise entmündigten Personen (derzeit rund 50.000 in Österreich) hat der vom Gericht bestellte Sachwalter ähnliche Befugnisse wie ein Elternteil bei einem Kleinkind und regelt sämtliche Angelegenheiten des Betroffenen. "Es ist eine Gratwanderung zwischen Zwangsmaßnahme und Hilfe" meint Albert Maresch vom Sachwalterverein. Und: "Ab einer bestimmten Größe kann sich auch ein professioneller Anwalt nicht mehr darum kümmern. Es kommt, freundlich ausgedrückt, zu einer extremen Verdünnung des persönlichen Kontaktes."
Ein Sachwalter kann entweder ein Angehöriger, ein Verein oder ein Notar oder Rechtsanwalt sein. Die Verwandten fühlen sich allerdings der Situation oft nicht gewachsen, die einen "irrsinnigen Aufwand für eine berufstätige Person bedeuten kann", wie VP-Gemeinderätin Ingrid Korosec aus eigener Erfahrung weiß.
Österreichweit landet daher ein Drittel der zu besachwaltenden Personen beim Notar oder Rechtsanwalt, in Wien sind es sogar 50 Prozent.
Rechtsanwälte gegen Beschränkung
Justizministerin Karin Gastinger will die Patientenzahl auf 25 pro Sachwalter beschränken. Mindestens einmal pro Monat sollte der Betreuer Kontakt mit dem Klienten haben. Ein entsprechendes Gesetz ist derzeit in Begutachtung. Werner Vogt verspricht sich viel von dem neuen Gesetz. Auch Korosec hofft, dass es in der zweiten Jahreshälfte bereits in Kraft treten wird. Die Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Brigitte Birnbaum, hält allerdings eine Beschränkung der Sachwalterschaften für wenig sinnvoll: "Das wird schon an der Finanzierbarkeit scheitern." Und: "Ich kenne Kanzleien, wo es trotz einer Vielfalt solcher Fälle zu keinen Beschwerden kommt, weil das Team kompetent ist."
Sie könne sich aber gut vorstellen, dass Anwälte oder Notare, die Sachwalterschaften übernehmen, dafür zusätzliche Kompetenzen erwerben müssen, etwa im Bereich der Sozialarbeit. Bei Schwierigkeiten rät Birnbaum den Betroffenen, sich an die zuständige Kammer zu wenden.