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Sorgenkind wird Musterschüler

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Industrie will weiterhin in ehemaliges Forschungszentrum Seibersdorf investieren.


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Wien. Ein Sorgenkind hat sich zum Musterschüler gemausert. Die Sanierung des Austrian Institute of Technology (AIT), Nachfolgerin des viel kritisierten Forschungszentrum Seibersdorf, habe gegriffen, betonte Infrastrukturministerin Doris Bures am Mittwoch bei der Eigentümer-Bilanz drei Jahre nach der Neugründung: "Die Investitionen haben sich gelohnt."

Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), teilte den Befund der Ministerin zu Österreichs größtem außeruniversitären Forschungsinstitut: "2008 forderten manche unserer Mitglieder, dass wir uns aus Seibersdorf zurückziehen. Wir haben schließlich einen Verein der beteiligten Unternehmen gegründet, der rund 49 Prozent der Eigentümerschaft stellt. Nun bleiben wir weitere fünf Jahre an Bord", sagte er.

Bures, Sorger und AIT-Aufsichtsratschef Hannes Androsch gaben die Verlängerung des Gesellschaftervertrags bis 2017 bekannt und kündigten eine Erweiterung der am AIT beteiligten Unternehmen an - Namen wollten sie allerdings noch keine nennen.

Mitte des vorigen Jahrzehnts machte das ehemalige Forschungszentrum Seibersdorf Negativ-Schlagzeilen in Serie und rutschte tief in die roten Zahlen. Das schwer angeschlagene Institut, das zu 50,46 Prozent im Eigentum des Bundes und zum Rest im Besitz heimischer Unternehmen steht, wurde 2008 als AIT neu aufgestellt. Als frisch gekürter Aufsichtsratschef sprach Androsch von der "letzten Chance". Um diese zu nutzen, wurden thematische Doppelgleisigkeiten, an denen Seibersdorf über Jahre gelitten hatte, eliminiert. Forschungsaktivitäten wurden in fünf Abteilungen gebündelt und andere Bereiche ausgegliedert, rund 100 der damals 910 Mitarbeitern abgebaut und andere in zentralen Bereichen eingestellt. Auf Empfehlung des Rechnungshofs (RH) wurden die Verwaltungskosten gesenkt - allein 2010 um 300.000 Euro.

Firmen erhöhen Ausgaben für Forschung um 20 Prozent

Eine Evaluierung, die derzeit im Laufen ist, soll zeigen, dass die Sanierungsempfehlungen des RH befolgt wurden. Aus dem AIT sei ein herzeigbares Institut für wirtschaftsnahe Forschung geworden, so Androsch, jedoch sei noch eine Menge zu tun. Wegen des hart umkämpften Marktes wurde jüngst das Geschäftsfeld Toxikologie eingestellt, 26 Mitarbeiter sind betroffen. In der Verwaltung sei mit weiteren Personal-Kürzungen zu rechnen, denen eine Aufstockung wissenschaftlicher Mitarbeiter gegenüberstehe. Jede der fünf zentralen Abteilungen soll in den kommenden fünf Jahren 250 Mitarbeiter erreichen, um mit wissenschaftlich anerkannten Führungskräften zu punkten. Bis 2020 wünscht sich Androsch eine Aufstockung der Mittel auf die Höhe des Paul Scherrer Instituts. Das größte Forschungszentrum für Natur- und Ingenieurwissenschaften in der Schweiz hat ein Jahresbudget von 267 Millionen Euro, drei Viertel davon kommen vom Bund.

Österreich schlüsselt die Forschungsbeträge anders auf. Das Jahresbudget des AIT von derzeit 125 Millionen Euro kommt zu 40 Prozent vom Infrastrukturministerium und zu je 30 Prozent aus Drittmittel-Förderungen und Industrieaufträgen. Dass das so bleiben soll, zeigt eine Deklaration, die Bures am Mittwochabend mit elf heimischen Unternehmen unterzeichnete. Die Firmen verpflichten sich, ihre Ausgaben für Forschung bis 2020 um 20 Prozent zu erhöhen. Bereits im August hatten elf weitere Betriebe diesen Vertrag unterzeichnet.

Zusammen stehen die 22 Firmen für mehr als eine Milliarde an Forschungsausgaben pro Jahr oder ein Fünftel der heimischen Unternehmensforschung. Zu ihnen zählen etwa Magna, Fronius und Rosenbauer. Das AIT profitiert in Form von Forschungsaufträgen, zu denen auch die Errichtung von acht "Smart Cities" in China zählt mit nachhaltigen Infrastrukturen auf der Basis erneuerbarer Energien. 2010 erzielte das AIT ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 3,5 Millionen Euro. Aufgrund von Investitionen in strategische Forschungsvorhaben werden für heuer nur zwei Millionen Euro erwartet.