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Es gibt Hardliner, die den Standpunkt vertreten, es sei unmöglich, sich zu entschuldigen. Man könne nur um Entschuldigung bitten. Denn: Eine Schuld, die man auf sich geladen hat, lasse sich nicht im Alleingang ablegen wie eine dreckige Hose. Man sei da ganz auf jene Person angewiesen, die man geschädigt hat. Nur sie könne einen ent-schuldigen.
Nun könnte man einwenden, diese Sicht der Dinge sei wortklauberisch und antiquiert. Man kann aber auch fragen, ob sich diese Diskussion überhaupt noch lohnt. Denn das Wort "Entschuldigung" droht, über kurz oder lang aus dem gelebten Wortverkehr auszuscheiden. Vor allem der junge, urbane Mensch befleißigt sich nämlich lieber einer anderen Diktion. Er sagt "Sorry", und das sehr englisch bis amerikanisch, mit einem extra tiefgelegten "rr" in der Gurgel. Man bekommt das etwa zu hören, wenn ein Hipster mit dickrandiger Brille bemerkt hat, dass er einem auf dem Gehsteig vor der neuen In-Bar im Weg steht: Hey, sorry. Das klingt jedoch ärgerlicherweise nicht wirklich nach einer Entschuldigung - eher nach einem flapsigen Beleg für die eigene Weltgewandtheit.
Um jetzt nicht missverstanden zu werden: Es geht hier nicht darum, mindestens drei Ave Marias als Sühne für kleine Alltagsverfehlungen zu fordern. Es geht um etwas anderes, etwas, das gemeinsam mit der ernsthaften Entschuldigung zu schwinden scheint: der zwischenmenschliche Respekt. Der könnte sich zwar auch im Wort "Sorry" mitteilen. Das dürfte dann aber nicht mehr wie ein Coolheitsnachweis ausgesprochen werden.