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S.O.S. im Golf von Mexiko

Von Roland Knauer

Wissen

Deutsche Entwicklung könnte die Folgen der Ölkatastrophe beseitigen. | System kann täglich 322 Millionen Liter öliges Wasser reinigen. | Berlin. Bei einer Ölkatastrophe wie im Golf von Mexiko stehen die Beteiligten vor einer unlösbar scheinenden Aufgabe: Wie bekommt man das Öl, das Meeresorganismen vergiftet und Vogelfedern mit tödlichen Folgen verklebt, wieder aus dem Wasser? | Bohrloch-Versiegelung abgeschlossen


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Umgebaute Supertanker beweisen vor der US-Südküste derzeit, wie schwierig das ist. Eine Lösung könnte von der Technischen Universität Berlin (TUB) kommen.

Das System "SOS" könnte in eines der Transportschiffe eingebaut werden, die für die Küste und die Unterläufe der Flüsse am Golf von Mexiko typisch sind. "SOS" steht für "Seegangsunabhängiger Öl-Skimmer" und holt das Öl unabhängig vom Wellengang aus dem Wasser.

Denn genau das ist das Problem herkömmlicher Systeme: Sie arbeiten nur bei sehr ruhiger See. SOS dagegen holt noch bei einer Wellenhöhe von drei Metern ein Gemisch aus dem Meer, das zur Hälfte aus Öl besteht. Bei solch einem Seegang sind die höchsten Wellen fünf Meter hoch und würden jedes andere System zur Ölbeseitigung außer Gefecht setzen.

Das Verfahren der TUB-Forscher Günther Clauss, Florian Sprenger und Sascha Kosleck arbeitet auch bei starkem Seegang zuverlässig, weil es den Abschöpfvorgang in das ruhigere Innere des Schiffes verlegt. Dabei nutzt es die gleichen Zusammenhänge, mit denen auch andere Systeme versuchen, Öl und Wasser zu trennen: Die Flüssigkeiten mischen sich kaum und Öl ist leichter als Wasser. Ist das Meer glatt, schwimmt das Öl als Film auf dem Wasser und lässt sich - zumindest theoretisch - einfach abschöpfen. Ist das Wasser dagegen bewegt, schöpft ein herkömmliches System auf dem Wellenberg Luft und im Wellental sehr viel Wasser mit sehr wenig Öl.

Die TUB-Forscher dämpfen dagegen den Seegang mit einer speziellen Form des Schiffsbugs. Der Bug hat an jeder Seite Leitflügel, die den Ölfilm unter den Rumpf leiten. Dabei walzt der Bug die Wellen einfach platt. Nun muss nur noch eine Klappe im vorderen Teil des Rumpfes geöffnet werden, die einen relativ schmalen Schlitz verschließt, der in ein "Moonpool" genanntes Becken im Schiffsinneren führt. Durch den Schlitz fließt zwar nicht nur der Ölfilm in den Moonpool, sondern auch Wasser. Beim Eintritt in das Becken bildet sich aber gleichzeitig ein leichter Wirbel, der das ohnehin leichtere Öl nach oben beschleunigt. Im oberen Teil des Moonpools bildet sich so eine viel dickere Ölschicht als sie vorher auf dem Meer schwamm.

Spezielle Speichertanks

Darunter befindet sich Wasser, das kaum noch Öl enthält, und durch einen Auslauf wieder ins Meer zurückfließt. Das Öl wird in Speichertanks zwischengelagert und später in einen seitlich andockenden Tanker gepumpt, der es für eine Weiterverwendung in einen Hafen transportiert.

Sprenger zufolge könnte ein einziges Schiff mit diesem System im Golf von Mexiko binnen 24 Stunden rund 322 Millionen Liter öliges Wasser aufnehmen und reinigen. "Das entspricht der dreifachen Menge, die in den Monaten seit dem Unglück insgesamt aus dem Golf von Mexiko geholt wurden", erklärt er.

Fragt sich nur noch, weshalb SOS, für dessen Vermarktung die Firma Futura-Ships in Kiel zuständig ist, nicht schon längst im Golf von Mexiko im Einsatz ist. Das System hat schließlich im Wellenkanal der TUB bereits seine Praxistauglichkeit bewiesen und das in Deutschland für die Ölbekämpfung zuständige "Havariekommando" in Cuxhaven überzeugt: Dort soll SOS nun angeschafft werden.