Zum Hauptinhalt springen

Souveräne Risiken in der Causa Griechenland

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Mehr als zwei Monate lang konnten sich EU-Finanzminister und Regierungschefs nicht einigen, ob und - wenn ja - wie Griechenland geholfen werden sollte oder könnte. Am Wochenende nun wurde ein 30-Milliarden-Euro-Paket bilateraler Darlehen vorgestellt, abzurufen nach Bedarf, zu rund fünf Prozent Zinsen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Viele Fragen liegen auf der Hand. Erstens: Nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel würden auf Irland, Portugal, Spanien und Italien zusammen rund 10,5 Milliarden Euro entfallen. Wirklich? Ich dachte, gerade dies seien Hochrisikoländer in der Eurozone, was Defizite, Schulden und Kreditwürdigkeit betrifft.

Zweitens: Deutschland, das rund 8,4 Milliarden Euro bereitstellen soll, kann sich, je nach Fristigkeit, zu ein bis drei Prozent finanzieren und daher mit einem Griechenland-Kredit ein gutes Geschäft machen.

Drittens: Die Zinsen im Rest der Eurozone werden steigen. Wenn nämlich die Finanzmärkte nun annehmen, dass Griechenlands Zahlungsunfähigkeit ausgeschaltet ist, warum sollte man dann Deutschland zu drei Prozent Geld leihen, wenn Griechenland fünf Prozent zahlt?

Viertens und vor allem: Griechenlands Strukturprobleme bleiben: schwache Konkurrenzfähigkeit, Korruption, fehlende Steuermoral, extrem ambitioniertes und daher wenig glaubwürdiges Austerity-Programm.

Das sind längst nicht alle offenen Fragen. Kurzfristig mag das Milliarden-Paket zur Beruhigung beitragen. Mittelfristig bleibt das "souveräne Risiko" bestehen: dass nämlich Griechenland fällig werdende Schulden nicht bedienen kann.

Griechenland schuldet derzeit rund 300 Milliarden Euro, im wesentlichen europäischen Banken. Wenn eine Teilschuld - sagen wir, zm Beuspiel die im Mai fällig werdenden rund 12 Milliarden Euro - nicht bezahlt werden können, werden die restlichen Schulden nicht auch gleich fällig. Ein finanzieller Tsunami wie nach dem Bankrott der Lehman Brothers tritt nicht ein, wenn alle kühlen Kopf bewahren. (Wenn!) Vielmehr passiert das, was wir aus zahlreichen Defaults der letzten 200 Jahre kennen: Umschuldungsverhandlungen über Fristerstreckungen, Zinssätze und partielle Schuldennachlässe. Selbst wenn einzelne Gläubigerbanken dadurch in vorübergehende Schwierigkeiten geraten, kann es letztlich billiger sein, sie (wie bisher) direkt zu unterstützen statt über den Umweg staatlich-bilateraler Kredit-Garantien für Griechenland.

Das alles wäre nicht erfreulich, aber nicht schlimmer als die jetzige Situation mit ihren substanzlosen Beschwörungen bei EU-Gipfeln, die die Planbarkeit finanzieller Investments eher erschwert als erleichtert haben. Und es würde endlich risikoblinde Kreditvergaben bestrafen. Ja, auch Staaten können zahlungsunfähig werden - und dann zahlt der Gläubiger den Schaden mit.

Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen. Jeden Freitag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.