Wien - Karel van Miert, bis Ende 1999 EU-Kommissar für Wettbewerb, zog gestern in Wien Bilanz über seine Amtszeit, sprach über Probleme der Mitglieder im Staatenbund und die Notwendigkeit der Osterweiterung.
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"Die Wettbewerbspolitik, als Instrument der Kontrolle, ist ein Garant dafür, dass die Marktwirtschaft tatsächlich funktioniert", betonte der Belgier. Marktwirtschaft könne man nicht einfach, wie die Chicago-Schule es fordert, der Dominanz der Wirtschaft überlassen:, "Denn sonst existiert der Markt nicht mehr". Einerseits soll der Markt für alle zugänglich sein - in Italien war er das lange Zeit nur für Insider - andererseits "dürfen Umwelt, Sozialstandards und Regionalpolitik nicht überfahren werden". Und vor dem Hintergrund dieser Aspekte müsse auch die Konferenz von Nizza, welche die Fragen der Osterweiterung behandeln wird, stattfinden. Denn, erklärte van Miert, an der Integration der östlichen Nachbarn führt kein Weg vorbei. Aber es wäre sinnvoll, wenn dieser schrittweise, respektive in Etappen begangen werde. Vorweg sei jedenfalls Hilfe, also Gelder aus den Strukturfonds, zu leisten. Ein Punkt habe besonderes Gewicht, der leider auch bei den jetzigen Mitgliedsstaaten verabsäumt wurde, so der ehemalige Vize-Präsident: "Man muss den Ländern rechtzeitig klarmachen, dass sie große Teile ihrer Souveränität aufgeben und sich der Gemeinschaft unterwerfen."
Schon die Bevölkerung früherer Beitrittswerber wurde nur schlecht informiert, und van Miert warnte vor mangelnder Transparenz und Demokratie, beides produziere Missverständnisse und Ablehnung. Der Ex-Kommissar hofft, dass beim nächsten EU-Gipfel von Nizza nicht nur Scheindebatten über die Zahl der Kommisionsmitglieder geführt werden. Er plädiert für eine Lösung des Vetorechts: "Es hat nichts mit Demokratie zu tun, wenn ein Land alle Entscheidungen blockieren kann." Ohne Umstrukturierung der EU-Institutionen werde es große Konflikte geben. Somit sei die Erweiterung nur zu verkraften, wenn vorab sämtliche Regeln verändert werden, "dann allerdings haben wir eine vollkommen andere Union als heute."