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Soviel Vernunft wie nötig, soviel Zuversicht wie möglich

Von Hermann Sileitsch

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Selten zuvor war die Unsicherheit so groß: Wie schwer wird uns die Krise noch treffen? Gerade vor Jahreswechsel haben Apokalyptiker Hochsaison. Manchen können die Prophezeiungen gar nicht düster genug ausfallen. Wie viel Rezession hätten´s denn gern? Das Fatale daran: Je mehr Gehör den Schwarzmalereien geschenkt wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie eintreffen. Was uns 2009 erwartet, kann derzeit keiner wissen - aber jeder trägt seinen Teil dazu bei, wie dieses Jahr ausfallen wird. Die guten Weihnachtsumsätze im österreichischen Handel waren ein starkes Signal, dass die Bevölkerung ihren Optimismus nicht verloren hat - und das macht Hoffnung.


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Darin liegt eine tiefere Ironie der Wirtschaftskrise 2008/2009: Jahre- wenn nicht jahrzehntelang hat Europa neidvoll über den großen Teich geblickt. "Anything goes" - Amerika galt als Sinnbild des Unternehmertums, während bei uns das Unterlassertum zu regieren schien. Von der Firmengründung über die Bilanzierung und Kreditvergabe bis hin zum Konkurs: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ließ "good old Europe" ziemlich alt aussehen. Heute sind wir freilich schlauer: Denn nahezu unbemerkt war aus der amerikanischen Kultur des Ermöglichens ein Exzess geworden - der uns diese historische Krise beschert hat. Leider hatte auch Europa seine alten kaufmännischen Sorgfaltsregeln zwischenzeitig über Bord geworfen. Die Wiederentdeckung der richtigen Balance zwischen Vernunft und Risiko wird uns als Langfristprojekt begleiten. Um die Folgen der Krise möglichst gering zu halten, müssen wir Europäer allerdings kurzfristig zu Amerikanern werden und allen Optimismus aufbringen, zu dem wir imstande sind. Das gilt auch für die Politik. Mit "Yes, we can!" werden Wahlen gewonnen - mit "Es reicht!" verloren. Mit welchem Gefühl sollen wir 2009 also entgegengehen? Mein Rat: Soviel Vorsicht und Vernunft wie nötig, soviel Zuversicht wie möglich.

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