Der Sozialplan sollte besser Unternehmensplan heißen - und er ist mitunter beinhart.
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Derzeit hört man verstärkt von Unternehmen, die sich zur Aufrechterhaltung des Betriebs gezwungen sehen, einen Sozialplan auszurollen. Der Begriff Sozialplan ist im Übrigen nicht dem Gesetzeswortlaut von Paragraf 109 Arbeitsverfassungsgesetz zu entnehmen; vielmehr hat sich diese Bezeichnung umgangssprachlich entwickelt. Unter einem Sozialplan sind in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern Maßnahmen zu verstehen, die Folgen einer Betriebsänderung verhindern, beseitigen oder abschwächen sollen.
Bei einem Sozialplan handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung. Eine solche gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom abschließenden Belegschaftsorgan vertreten werden. Ausnahmen vom Geltungsbereich müssen sachlich begründet werden. So könnten in etwa Ferialpraktikanten ausgenommen werden. Sozialpläne für eine Arbeitnehmergruppe zu Lasten einer anderen sind unzulässig. Laut Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müssen Sozialpläne konkret anlassbezogen sein. Daher gibt es keinen Sozialplan aus Gründen der Prävention.
Erforderlich ist, dass mit der Betriebsänderung aktuell gravierende Nachteile für zumindest einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft entstehen. Als Richtwert gilt hier ein Anteil von zumindest 10 Prozent. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Betroffenheit von 8 Prozent als zu gering erachtet, um einen Sozialplan zu rechtfertigen (VwGH 86/01/0297). Unannehmlichkeiten belangloser Natur reichen ebenfalls nicht für einen Sozialplan aus. Sind mit einer solchen Betriebsänderung Kündigungen verbunden, so soll der Sozialplan besonders Bedacht auf die Interessen von älteren Arbeitnehmern nehmen.
Zu den Maßnahmen, die Nachteile ausgleichen oder abfedern, zählen beispielsweise eine freiwillige Abfertigung bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die Errichtung von beziehungsweise der Beitritt zu Arbeitsstiftungen oder Wegzeitvergütungen bei einer Verlegung der Betriebsstätte. Leistungen des Arbeitgebers aus dem Sozialplan sind unterhalb gewisser Höchstgrenzen für den Arbeitnehmer steuerbegünstigt.
Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Sozialplan, so kann dieser unter Umständen bei der beim Arbeits- und Sozialgericht implementierten Schlichtungsstelle erzwungen werden. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle gilt als Betriebsvereinbarung, ist also unmittelbar rechtsverbindlich. Gegen sie ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig; möglich ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Der Oberste Gerichtshof hat erkannt, dass freiwillige Abfindungen in einem Sozialplan an die Voraussetzung geknüpft werden dürfen, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsanfechtung vornimmt (OGH 29. April 2021, 9 ObA 9/21w). Denn, so der OGH, es soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber zwar auf der einen Seite Sozialplanleistungen zu erbringen hat, auf der anderen Seite aber dem Risiko einer gerichtlichen Kündigungsanfechtung ausgesetzt wird.
Im Streitfall betreffend Auslegung der Betriebsvereinbarung kommt es im Hinblick auf die Wirkung für die Arbeitnehmer auf die Textierung der Vereinbarung an. Nicht nur, dass mitunter Arbeitgeber den Begriff Sozialplan nicht gerne hören, ist diese Bezeichnung auch irreführend. Denn es kommt nicht auf die soziale Situation des Arbeitnehmers an, sondern eben auf die betriebliche Notwendigkeit. Richtiger wäre die Betitelung dieser Betriebsvereinbarung als Unternehmensplan - dieser kann für den einzelnen Arbeitnehmer mit ganz schön viel Härte verbunden sein.
Arbeitnehmer kündigen, Fremdleistungen zukaufen
So kommt es dem Vernehmen nach in der Praxis anscheinend immer wieder dazu, dass zwar auf der einen Seite Arbeitnehmer gekündigt werden, doch auf der anderen Seite zeitgleich Fremdleistungen zugekauft werden. Da wird dann zum Beispiel eigenes Verkaufspersonal zugunsten von Personal für digitale Verkaufsmaßnahmen abgebaut, weil man meint, dass diese Neuen das viel besser und hipper können als die Alten. Oder Mitarbeiter bekommen noch rasch ein Bewerbungstraining, um bei einem neuen Arbeitgeber vorstellig werden zu können, während im selben Unternehmen gar Bonizahlungen für das Anwerben neuer Mitarbeiter ausgelobt werden. Nicht selten müssen Mitarbeiter, darunter auch langgediente Führungskräfte, demütigende Schulungen über sich ergehen lassen, in denen Studienabsolventen Allgemeinplätze von sich geben wie jenen, dass es wichtig sei, zu einem Vorstellungsgespräch mit sauberem, gekämmtem Haar zu kommen und sich die Zähne zu putzen.
Die für einen Sozialplan erforderliche betriebliche Notwendigkeit ist mitunter schnell herbeigeredet. Etwa, wenn das Zielpublikum kurzerhand ganz woanders als bisher verortet oder ganz anders eingeschätzt wird; wenn aus einem an objektiven, gut recherchierten Informationen interessiertem Publikum schnell eine TikTok-Bubble kreiert wird, nur noch Marketing interessiert und Inhalte zur Nebensache werden. Über die persönliche Schmach des einzelnen Mitarbeiters, vom Arbeitgeber entsorgt zu werden, kann dann auch die finanzielle Entschädigung aus dem Sozialplan nicht hinwegtrösten. Das ist kein respektvolles Miteinander. Das vernichtet wertvolle Personalressourcen.
Es wäre eine gesetzliche Klarstellung sinnvoll, dass, bevor im Zuge eines Sozialplans ein Mitarbeiter gekündigt wird, geprüft werden muss, ob dieser nicht durch etwaige Umschulung im Unternehmen weiter beschäftigt werden kann. Wirklich notwendige Kündigungen sollen mit einer Wiedereinstellungszusage verbunden werden für den Fall, dass das Unternehmen irgendwann wieder rund läuft. Zu bedenken ist auch, dass immer wieder durch Fehlentscheidungen im Management zu viel Personal abgebaut wird, das später dann fehlt - sowohl in der Fachkompetenz als auch generell für die Arbeitsbewältigung - und teuer wieder neu eingestellt werden muss. Jedes Unternehmen hat zudem seine Kernidentität, die man nicht beliebig umwerfen kann. Auf das sollten sich sowohl Politik als auch Unternehmen besinnen. Und, ganz wichtig: Führungskräfte benötigen nicht nur Zahlenverständnis, sondern auch ganz viel Hausverstand und ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen.