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Sozial statt egal: Für ein Europa der sozialen Wende

Von Andreas Schieder

Gastkommentare
Andreas Schieder ist Klubobmann der SPÖ.

Die Türkei-Tragödie ist die Spitze eines globalen Trends, der ökonomische Profite über das Wohl der Menschen stellt. Das können wir nicht wollen.


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Die Tragödie im türkischen Kohlebergwerk Soma, wo letzte Woche mehr als 300 Bergarbeiter ums Leben gekommen sind, hat mehrere Ursachen. Die Hauptursache liegt gewiss darin, dass die Devise galt: "Rendite geht vor Sicherheit." Die profitgeleiteten Interessen des privaten Bergbaubetreibers gekoppelt mit der ökonomischen Abhängigkeit der Bergarbeiter stehen der Sicherung sozialer Rechte in einem starken Sozialstaat diametral entgegen. Wenn zudem - so wie in der Türkei - die Demokratie sprichwörtlich mit den Füßen getreten wird und die Gewerkschaft schwach, weil regierungsabhängig ist, bleibt in jedem Fall der einzelne Mensch auf der Strecke.

Die Tragödie in der Türkei ist die Spitze des Eisbergs einer globalen Entwicklung, die ökonomische Profite über das Wohl der Menschen stellt. Das stetig steigende soziale Ungleichgewicht und dessen negative Folgen für die Gesellschaft werden als Kollateralschäden in Kauf genommen. Das können wir nicht wollen.

Das geeinte Europa muss einen anderen Weg gehen - den Weg der europäischen Solidarität, den Weg zu einem sozialeren und gerechteren Europa. Am 25. Mai fällt eine Richtungsentscheidung. Wollen wir ein Europa der Privatisierungen, ein Europa der ungezügelten Finanzmärkte, ein Europa der sozialen Ungleichheit und Ungerechtigkeit? Mit Sicherheit nicht.

Die Alternative ist nicht der Austritt aus der EU, sondern die Veränderung Europas. Wir Sozialdemokraten stehen zu einem starken, sozialen Europa. Wir treten ein für ein Europa der sozialen Sicherheit, der Freiheit und der Demokratie. Für ein Europa der Toleranz, der Menschenrechte, der Gleichberechtigung - egal ob Mann oder Frau. Unsere Forderungen sind: Jobs und Perspektiven für junge Menschen, Investitionen in Wirtschaft und Arbeitsplätze, die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, das Bekenntnis zu einem starken Staat und einer Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand, mehr Steuergerechtigkeit durch die Bekämpfung von Steuerbetrug, sichere Lebensmittel ohne Gentechnik und hohe soziale und ökologische Standards in internationalen Abkommen wie dem TTIP.

410 Millionen Menschen in 28 Ländern sind am kommenden Sonntag aufgerufen, ihre Vertretung in Europa zu wählen und somit die künftige inhaltliche Ausrichtung der europäischen Politik vorzugeben. Erstmals treten zwei Spitzenkandidaten gegeneinander an. Insofern ist es auch ein "historisches Experiment in europäischer Demokratie", wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe schreibt.

Wenn die Sozialdemokratie stärkste Kraft im EU-Parlament wird, stellt sie mit Martin Schulz auch den Kommissionspräsidenten, also jenen Volksvertreter, der im höchsten Regierungsamt der EU großen Einfluss auf die Gesetzgebung im geeinten Europa hat.

Ich denke, es ist höchste Zeit für dieses Demokratie-"Experiment", und es ist höchste Zeit für mehr sozialdemokratische Politik, für mehr "sozial statt egal", für mehr soziale und gerechte Politik, bei der nicht der Profit, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht.