Bis zu einer Gleichstellung beider Geschlechter hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es ein weiter Weg. Jos van Hulst von der ABN AMRO Bank in Amsterdam präsentierte im Rahmen der Tagung "Gleichstellung, quo vadis?" eine Möglichkeit, die nächsten Schritte in diese Richtung zu setzen. Sein Referat "Business Equality & Gender" sah er - trotzdem - als einen "Bericht von der Front" an.
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Das Projekt heißt "Arbeits-Lebens-Balance". Laut Definition soll in seinem Rahmen eine "möglichst optimale Balance zwischen den persönlichen Wertvorstellungen und Möglichkeiten der Beschäftigten und jenen der Organisation, für die sie arbeiten", hergestellt werden.
Auf den ersten Blick scheint es, als ob sich das Unternehmen seiner sozialen Verantwortung bewusst geworden wäre. Doch andererseits stehen hinter dem Plan, auf die Bedürfnisse der Angestellten einzugehen, auch beinhart kalkulierte finanzielle Überlegungen. Würde die gesamte Belegschaft innerhalb von fünf Jahren ausgewechselt, müsste die Bank pro Beschäftigten 40.000 Euro in Aus- und Weiterbildung stecken, rechnete van Hulst vor. Die jährlichen Investitionen dafür würden sich auf etwa 800 Millionen Euro belaufen.
Um dem vorzubeugen, aber auch um Streß- und Burn-Out-Syndromen entgegenzuwirken, wurde ein großangelegtes Projekt gestartet, das die Hindernisse für eine erfolgreiche Umsetzung der "Arbeits-Lebens-Balance" beleuchten soll. Die Themen reichen von unterschiedlicher Arbeitsmotivation über Teamarbeit bis hin zur Untersuchung, wie die jeweiligen Partnerinnen und Partner über die berufliche Situation des/der anderen denken.
Etliche Maßnahmen in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind bereits erarbeitet. So beinhaltet das System der Kinderbetreuung die Übernahme von rund 50 Prozent der Kosten oder die Betreuung der Kinder, bis sie die Grundschule verlassen. Absehbar ist auch die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen in der Nähe des Arbeitsplatzes oder am Arbeitsplatz selbst.
Zu den bestehenden Regelungen soll in Kürze eine Mutterschutz- und Elternkarenzregelung kommen, die Frauen und Männer bei voller Bezahlung eine Zeit lang beanspruchen können. Jeweils ein Drittel der Kosten wird dabei von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Regierung übernommen.
Die 36-Stunden-Woche läuft auf freiwilliger Basis. Bereits jetzt arbeiten 75 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Holland in diesem Ausmaß oder weniger. Flexible Arbeitszeitregelungen stehen ganz oben auf dem Wunschzettel der Bank.
Ebenso flexibel stellen sich die Pensionsantrittsregelungen dar. Derzeit ist ein Pensionsantritt im Alter zwischen 57 und 67 Jahren möglich. Eine "schrittweise Pensionierung" befindet sich in der Planungsphase. Sie würde einen "gleitenden" Wechsel z.B. in einen anderen Beruf ermöglichen.
Das "Job-Sharing", im unteren Bereich bereits allgemein üblich, soll auch auf die Ebene des höheren Managements ausgeweitet werden.
Trotz all der Maßnahmen sind es weiterhin großteils Frauen, die Karenz in Anspruch nehmen, räumte van Hulst ein. Warum es nicht mehr Männer sind, müsse noch herausgefunden werden. Eine mögliche Erklärung lieferte van Hulst gleich selbst mit: Vielleicht ist noch immer Angst um den Arbeitsplatz die Ursache.