Die Schattenwirtschaft am Bau prellt die Sozialversicherung pro Jahr um 1 Mrd. Euro. Dieser Missstand muss beseitigt werden, verlangt mittlerweile auch die Bauwirtschaft. Dazu wären schärfere Waffen gegen Sozialbetrug wie die Korrektur des derzeitigen Sozialbetrugsgesetzes nötig. "Das Baugewerbe akzeptiert mit einer Lex Bau auch eine Sonderregelung", erklärte Baugewerbe-Innungsmeister Johannes Lahofer am Mittwoch.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Arbeiterkammer hat erhoben, dass 8 von 10 neu gegründeten Baufirmen mit betrügerischem Vorsatz agieren. Seriöse Bauunternehmen und Arbeitnehmer, die zu Niedrigstlöhnen schuften müssen, werden durch die Machenschaften der Schwindelfirmen geschädigt. Pro Jahr erwirtschaften jedoch 100 Schwarzfirmen mehr als 8,6 Mrd. Euro, 1.000 Arbeiter sehen laut AK jedoch nie ihren Lohn. Die Töpfe der Sozialversicherung gehen auch leer aus, da für die Arbeiter niemals Abgaben bezahlt werden.
Der Bauarbeiter-Urlaubskasse entgehen auf diese Art jährlich 10 Mio. Euro. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger schätzt, pro Jahr um etwa eine Mrd. Euro geprellt zu werden. "Damit könnten wir unser Budgetloch von 400 Mio. Euro bei den Gebietskrankenkassen stopfen", betonte Hauptverbandsvorsitzender Erich Laminger. Er beklagt, dass Sozialbetrug als Kavaliersdelikt gilt und nicht streng genug bestraft wird.
In der gemeinsamen Kampagne "bau fair" fordern deshalb die Sozialpartner (Baugewerbe, Bundesinnung Bau, Gewerkschaft, Arbeitsmarktservice und Hauptverband) ein schärferes Vorgehen der Regierung gegen die blühende Schattenwirtschaft - denn laut Schätzungen wächst dieser Zweig doppelt so schnell wie die normale Wirtschaft.
Notwendig wäre laut Lahofer die verpflichtende Anmeldung bei der Sozialversicherung eines Beschäftigten ab dem ersten Tag, wie dies unlängst mit Erfolg in Tschechien eingeführt wurde. Sobald ein Bauarbeiter ohne Anmeldung angetroffen wird, muss der Arbeitgeber mit einer Strafe rechnen. Derzeit haben Baufirmen für die Anmeldung zwei Wochen Zeit.
Das neue Sozialbetrugsgesetz, dass seit April in Kraft ist, bezeichnet Bau-Holz-Gewerkschaftschef Johann Driemer als "zahnlosen Tiger".
Seiner Ansicht nach müssten endlich die Generalunternehmer in die Pflicht genommen werden, indem sie die Steuern und Abgaben der von ihnen beauftragten Subunternehmen einbehalten. Dies könne mittels Pauschalbetrag geschehen, damit wäre den Schwarzunternehmern die Basis ihres Handelns entzogen, ist Driemer überzeugt. Die Bauwirtschaft lehnt eine Haftung des Generalunternehmers wegen verfassungsrechtlicher Bedenken jedoch ab, im Falle der Mehrwertsteuer der Subfirmen existiert sie allerdings seit kurzem.
Für unzureichend hält Driemer die Kontrollen am Bau. Nur 400 Beamte müssen alle 380.000 heimischen Unternehmen prüfen. "Das reicht nicht". Daher fordert der Gewerkschafter zusätzliches Kontrollpersonal und eine stärkere Zusammenarbeit mit der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Als Beispiel erwähnt Driemer den Fall der Firma Bauservice Eder in Salzburg. Das Unternehmen hat 1.200 Leiharbeiter für den Bau vermittelt. Der Großteil der Dienstnehmer war nicht angemeldet und erhielt nicht einmal den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Nachdem nun die Nachzahlung der Sozialabgaben droht, hat der Eigentümer sofort 550 Leiharbeiter gekündigt.
Ein weiteres Problem für das Baugewerbe sind Ein-Mann-Betriebe. Gegründet werden sie von Arbeitswilligen aus den neuen EU-Ländern, um das Arbeitsverbot zu umgehen. Die Wirtschaftskammer schätzt, dass 8.000 solcher kleinen Scheinfirmen ihre Dienste anbieten, die Hälfte davon am Bau.