Zum Hauptinhalt springen

Sozialdemokraten zerfleischen sich

Von Klaus Huhold

Politik

Linker Machtkampf erschwert Suche nach einer Regierungskoalition.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Prag. Das Wahlergebnis war kaum analysiert, da ging es schon los mit Hinterzimmerintrigen, persönlichen Abrechnungen und Grabenkämpfen bei den tschechischen Sozialdemokraten (CSSD). Eine Gruppe von Spitzenfunktionären sägt am Stuhl des Vorsitzenden Bohuslav Sobotka. Bei einer internen Abstimmung des Parteivorstandes forderten 20 von 33 Mitgliedern den Spitzenkandidaten bei der Parlamentswahl zum Rücktritt als Parteichef auf und strichen ihn auch gleich aus dem Team für Koalitionsverhandlungen. Und dann legte auch noch Präsident Milos Zeman, der früher die CSSD anführte, nach: "Wenn man die Verantwortung für eine Partei trägt, die ihr Wahlziel nicht erfüllt, dann ist der Parteivorsitzende immer der erste an der Reihe", sagte Zeman der Zeitschrift Tyden. Sobotka selbst verweigert aber seinen Rücktritt.

Die CSSD ging bei der Wahl zwar als erste durch das Ziel, doch war das Ergebnis mit 20,5 Prozent der Stimmen (siehe Grafik) äußerst enttäuschend. Der Partei war in Umfragen bis zu 30 Prozent Zuspruch zugetraut worden. Und selten waren die Voraussetzungen für die CSSD, die sieben Jahre in der Opposition verbracht hat, so gut: Es herrschten Wechselstimmung und Frust mit den bis vor kurzem regierenden Mitte-Rechts-Parteien, den Bürgerlichen Demokraten (ODS) und der Top 09 von Karel Schwarzenberg. Tatsächlich erlitt die ODS wegen ihrer Korruptionsaffären mit 7,7 Prozent der Stimmen ein Debakel. Und auch Top 09, die federführend für ein hartes Sparpaket verantwortlich war, verlor mit 12 Prozent an Zuspruch. Doch der eigentliche Gewinner des Urnengangs war dann nicht die CSSD, sondern der Agro-Milliardär Andrej Babis, der mit seiner neu gegründeten Bewegung ANO auf Anhieb 18,7 Prozent der Stimmen einfuhr.

Doch nicht nur der Wahlausgang ist laut Beobachtern der Grund für die Grabenkämpfe innerhalb der Sozialdemokratie. Vielmehr wird auch offenbar, dass die CSSD in zwei Lager gespalten ist. Auf der einen Seite steht die Gruppe rund um Sobotka. Auf der anderen Seite stehen dessen parteiinterne Rivalen, die vom CSSD-Vizevorsitzenden und südmährischen Kreishauptmann Michal Hasek angeführt werden.

Und dann ist da noch ein Strippenzieher im Hintergrund: Präsident Milos Zeman, der sich ständig in die Belange seiner Ex-Partei einmischt, mit Sobotka spinnefeind sein soll und ein enger Vertrauter von Hasek ist. So wurde nun bekannt, dass sich Zeman am Wochenende heimlich mit Hasek und zwei weiteren CSSD-Funktionären getroffen hat. Danach kam es zum Angriff auf Sobotka. Zeman gibt damit erneut all seinen Kritikern Munition. Diese werfen ihm schon lange vor, dass er kein neutraler Staatschef sei, sondern sich ständig in die Parteipolitik einmische und ihm die CSSD dabei als Vehikel diene.

Parteichef Sobotka spricht von einem "Putschversuch"

Nun fliegen innerhalb der CSSD die Fetzen. Der wankende Parteichef Sobotka sprach am Montag von einem "Putschversuch". Die CSSD dürfe "nicht zum Opfer einiger Funktionäre werden, die nur ihre eigenen Ambitionen und die Regierungsposten vor Augen haben". Hauptgrund für den enttäuschenden Wahlausgang sei gewesen, dass die CSSD nicht als Einheit aufgetreten sei. Eine klare Anspielung auf Hasek, der Sobotka als Vorsitzenden und Spitzenkandidaten nie wirklich stützte.

Der Angesprochene wiederum wehrt sich. Er verstehe die Hysterie nicht, erklärte Hasek. Und für ihn sei es unglaublich, dass sich Sobotka weigert, die Abstimmung des Parteivorstandes zu seiner Abwahl zu respektieren.

Die Streitigkeiten innerhalb der CSSD machen die schwierige Suche nach einer Regierungskoalition noch komplizierter. Mehrheiten ohne die CSSD sind zwar rechnerisch möglich, aber aufgrund der Beziehungen der Parteien zueinander nicht realistisch. Die Sozialdemokraten haben vor der Wahl anklingen lassen, dass sie eine Minderheitsregierung bilden wollen, die von den Kommunisten geduldet wird - doch das geht sich nun nicht aus.

Damit kommen der Milliardär Babis und seine Partei ANO ins Spiel. Obwohl der Streit mit Sobotka noch nicht beigelegt ist, hat CSSD-Vize Hasek, der vom Parteivorstand zum Verhandlungsführer gewählt wurde, bereits ANO und die Christdemokraten kontaktiert.

Babis bringt damit sein Wahlerfolg in die Zwickmühle. Eigentlich wollte er zunächst seine Bewegung in der Opposition weiter aufbauen und sich nicht gleich mit einer Regierungsbeteiligung die Finger verbrennen. Den ganzen Wahlkampf lang hat ANO auf die etablierten Parteien eingeprügelt und gepredigt, dass das Land dringend einen politischen Neustart brauche. Nun bietet sich ANO die Möglichkeit, diesen Neuanfang mit einem kräftigen Wählerauftrag mitzugestalten. Es wäre daher nur schwer argumentierbar, sich einer Regierungsbeteiligung gleich zu verweigern. Babis will nun offenbar einen Mittelweg gehen: Dem Nachrichtenportal Aktualne.cz erklärte der Geschäftsmann, die künftige Regierung sollten CSSD und Christdemokraten bilden. ANO könnte dieses Kabinett dulden, sagte Babis.

Noch ist das aber alles Theorie, denn Präsident Zeman hat noch keinen Regierungsauftrag erteilt. Stattdessen trägt er zur Schwächung seiner Ex-Partei bei. Denn mit ihren Streitigkeiten verstärkt die CSSD offenbar den Frust der Wähler mit den etablierten Parteien - wie erboste Kommentare im Internet zeigen. Mit der ODS ist bei dieser Wahl schon eine ehemalige Groß- zu einer Kleinpartei geschrumpft. Wenn die tief gespaltene CSSD mit ihren Streitigkeiten noch lange so weitermacht und in dieser Legislaturperiode nicht wieder eine Einheit wird, droht ihr mit der Zeit dasselbe Schicksal.