Analyse: SPD-Chef Schulz brüstet sich in der Flüchtlingspolitik mit einem Erfolg, den es nicht gibt.
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Berlin/Wien. Die SPD solle eine mildere Regelung beim Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten durchsetzen. Das trugen die Delegierten ihren Koalitionsverhandlern beim Parteitag vor eineinhalb Wochen auf. Die Genossen wollten mehr Rechte für Angehörige von Personen, die weder Asylberechtigung noch Flüchtlingsstatus haben, denen in ihrer Heimat jedoch Folter oder Todesstrafe drohen. Dieser Wunsch schien am Dienstag wahr zu werden - zumindest in den Augen von Parteichef Martin Schulz: "Die SPD hat sich mit einer guten Einigung beim Familiennachzug durchgesetzt."
Schwarz und Rot sind nicht nur gefordert, eine Regierung zu bilden. Sie stehen auch bei der Gesetzgebung unter Zeitdruck. Mitte März läuft eine Regelung aus, wonach der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt ist. Das Gesetz trat 2016 in Kraft und ist auf zwei Jahre befristet. Nun haben sich die Verhandler geeinigt, dass die Regelung bis 31. Juli verlängert wird.
In einem gemeinsamen Antrag von Union und SPD, der am Donnerstag im Bundestag verabschiedet wird, heißt es auch, dass Kinder, Ehepartner oder Eltern eines subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen können, "bis die Anzahl der nach dieser Vorschrift erteilten Aufenthaltserlaubnisse die Höhe von monatlich 1000 erreicht hat".
Diese Grenzzahl hatten Union und SPD bereits bei den Sondierungsgesprächen paktiert, die den Koalitionsverhandlungen vorausgegangen waren. Darunter fallen demnach nur Ehen, die vor der Flucht geschlossen worden sind. Und keine Personen, die schwerwiegende Straftaten begangen haben oder als (islamistische) Gefährder gelten.
Laut Union nur 60 Härtefälle
Der Knackpunkt: Die Sozialdemokraten interpretieren den Kompromiss jetzt so, dass gesetzliche Härtefälle nicht angerechnet werden. Davon will die Union aber nichts wissen. "Neue Härtefallregelungen, die ein Mehr an Zuwanderung bedeutet hätten, gibt es nicht", entgegnet Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef und damit Vorsitzender der CSU-Bundestagsabgeordneten.
Laut "Spiegel Online" werde in dem Gesetzesantrag explizit gemacht, dass die durch Härtefallregelungen im Aufenthaltsgesetz möglichen zusätzlichen Fälle nicht mit dem Kontingent verrechnet werden. Allerdings besteht bereits jetzt eine solche Regelung, also selbst in Zeiten des völligen Aussetzens des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Bloß ist die Härtefallregelung strikt. 2017 fielen laut Union nur 60 Personen darunter.
Die bestehende Härtefallregelung bleibe in Kraft und werde wie bisher angewendet, sagt Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). Kommt es bis zur Bundestags-Abstimmung am Donnerstag zu keinen Aufweichungen, wäre Schulz’ Sager, die SPD hätte sich durchgesetzt, vollends widerlegt.
Bereits am Dienstag wurde daher Kritik aus den eigenen Reihen laut. Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, sagte, das Verhandlungsergebnis entspreche keineswegs den Forderungen des SPD-Parteitages. Die Formel "1000plus", mit der die Parteispitze jetzt werbe, sei auf Grundlage der veröffentlichten Informationen "leider nicht mehr als eine vage Hoffnung", so Kevin Kühnert zum Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Chef der Jungsozialisten führt die Riege der Kritiker an und hofft auf eine Eintrittswelle in die SPD, damit die (Neu-)Mitglieder die große Koalition verhindern. Schließlich müssen die derzeit rund 440.000 Mitglieder dem für Sonntag erwarteten Koalitionsvertrag zustimmen.
Parteichef Schulz braucht dafür Verhandlungserfolge. Von Anfang an war klar, gerade in der Flüchtlingspolitik wird das schwer. Insbesondere die CSU stemmte sich stets gegen ein Aufweichen des Sondierungspapiers. Ohnehin ging es nur mehr um kosmetische Details. Der Hauptbrocken wurde von der SPD-Spitze bereits geschluckt, nämlich die Flüchtlings-Obergrenze von 180.000 bis 220.000 Personen pro Jahr. Dass Schulz nun sehr wenig bis nichts als Erfolg verkauft, kommt für seine Kritiker zur rechten Zeit.