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Daten der Statistik Austria zeigen: Der Zug von Migranten nach Wien ist kein neues Phänomen.
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Wien. Seit Nieder- und Oberösterreich die Mindestsicherung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte gekürzt hat, erwartet vor allem die - ohnehin stark wachsende - Bundeshauptstadt einen verstärkten Zuzug von Flüchtlingen. Noch bleiben ein paar Monate Zeit, um die Ende des Jahres auslaufende 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu erneuern. Wahrscheinlich ist dies aber nicht mehr, und so bleibt abzuwarten, ob sich die Länder in der Folge mit eigenen Lösungen so zu unterbieten versuchen werden - mit dem Ziel, für Asylberechtigte und Migranten möglichst unattraktiv zu wirken.
Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely arbeitet längst an einem "Plan B" für den Fall, dass Wien reagieren muss. Mit einer Wartefrist für die Mindestsicherungsberechtigung will Wien notfalls dem zu erwartenden Zustrom entgegenwirken. Dabei sind sich Migrationsexperten einig, dass es bei weitem nicht nur Höhe und Verfügbarkeit von Sozialleistungen sind, die Flüchtlinge und Migranten in die Ballungszentren und hier vor allem nach Wien ziehen lassen. Bestehende soziale Netze in der Großstadt und vor allem der größere Jobmarkt sind logische Pullfaktoren - und das schon seit einiger Zeit.
Gastarbeiter schufen Strukturen
Wie Daten zur Binnenmigration der Statistik Austria belegen, gab es zwischen 2006 und 2015, also vor der Mindestsicherungsdebatte, verstärkt Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen nach Wien. Im Untersuchungszeitraum zogen vor allem syrische, afghanische und russische Staatsangehörige (größtenteils Flüchtlinge aus Tschetschenien) aus anderen Bundesländern nach Wien - vor allem aus Niederösterreich und der Steiermark (siehe Grafik). Während beispielsweise über 7700 Afghanen zwischen 2006 und 2015 nach Wien übersiedelten, zogen nur rund 2300 Personen aus dieser Gruppe in ein anderes Bundesland. Ganz anders verhält es sich bei Bosniern, Serben oder Türken: Angehörige dieser Nationalitäten wanderten im Untersuchungszeitraum fast ebenso stark von anderen Bundesländern nach Wien wie umgekehrt. Bei den Serben ist der Wanderungssaldo sogar leicht positiv: Von ihnen wanderten mehr aus Wien ab als zu. Nicht alle Serben, Russen oder Bosnier waren im entsprechenden Zeitraum als Flüchtlinge gekommen, mag man einwenden. Dennoch - woran liegt es, dass Wien auf bestimmte Gruppen eine so starke Anziehungskraft ausübt und andere abwandern?
Seit der ersten Gastarbeiterwelle ab den sechziger Jahren und auch im Zuge der Flüchtlingsbewegungen während der Kriege am Balkan in den neunziger Jahren seien starke regionale Strukturen entstanden, erklärt Gudrun Biffl, Migrationsexpertin an der Donau-Universität Krems: "Die Gastarbeiterzuwanderung war räumlich zugewiesen und trug zum Erhalt regionaler Wirtschaftsstrukturen bei. So führte sie zu einer nachhaltigen räumlichen Streuung." Landflucht und Zuzug in die Großstädte seien so einige Jahre hinausgezögert worden, vor allem die Gruppen der Serben und Bosnier habe auch in den vergangenen Jahren an die entstandenen regionalen Strukturen andocken können, so Biffls Erklärung.
Positivbeispiel Schweden
Vor allem in Vorarlberg, Tirol und Niederösterreich hätten es Gastarbeiter und Flüchtlinge geschafft, sich wirtschaftlich zu halten. Soziale und religiöse Räume wie Moscheen oder Kulturvereine seien dort oftmals ohne große Kontroversen realisiert worden und hätten so zu einem positiven Integrationsprozess beigetragen.
Biffl befürwortet, basierend auf den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, eine Residenzpflicht und verweist auf das Beispiel Schweden: Flüchtlinge und Zuwanderer werden dort auf fünf Jahre einer Region zugewiesen, die von ihrer Anwesenheit profitieren könne, umgekehrt würden so regionale Strukturen für die Zuwanderer geschaffen, sagt Biffl.