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"Sozialismus" hat Venezuela ruiniert

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Auslandschef der "Salzburger Nachrichten".

Die Petrodollars gingen nicht in die heimische Wirtschaft, sondern in den Import aller nötigen Güter.


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"Wieder triumphierten wir, wir sind die Kraft der Geschichte." So feierte Präsident Nicolás Maduro seinen Wahlsieg in Venezuela, den aber eine einfache Rechnung entzaubert: 46 Prozent Wahlbeteiligung (die schlechteste seit 1954), davon 68 Prozent für Maduro - macht bloß ein Drittel der Venezolaner für ihn. Der Köder "Geld gegen Wahlgang" half da auch nicht: Wähler konnten vor den meisten Wahllokalen von den Massenorganisationen des Regimes ausgegebene "Vaterlandsausweise" gegen vier Mindestlöhne eintauschen. Damit das von der Opposition beherrschte Parlament dem "Sozialismus" nicht in die Quere kommt, ersetzt es eine gefügige "verfassunggebende Versammlung".

Dies alles überrascht nicht, denn der von Vorgänger Hugo Chávez 1999 in Gang gesetzte "Sozialismus des
21. Jahrhunderts" versank in Inkompetenz, Bürokratie, Korruption und Wunderglauben an 3,3 Millionen Fass (je 159 Liter) Erdöl täglich aus Venezuelas weltweit größten Lagern.

2014 stammten 96 Prozent der Staatseinnahmen Venezuelas aus dem Erdölgeschäft. Damit finanzierten Chávez und Maduro den Import von Lebensmitteln, Medikamenten und Maschinen, statt die Petrodollars im eigenen Land zu investieren oder das Erdöl selbst zu verarbeiten. Dem Volk bescherte man die Wohltat, für den Preis einer Dose Bier den Tank mit Benzin zu füllen.

Dann aber fiel der Ölpreis von rund 100 auf knapp 35 Dollar pro Fass. Das legte die schweren Fehler der Regierung frei: Die vernachlässigte Landwirtschaft produziert zu wenig, 15 Prozent der Venezolaner sind unterernährt. Und wegen des Ölpreisverfalls fehlen die Devisen. So sank die Wirtschaftsleistung allein 2016 um rund 20 Prozent, die Inflation hingegen stieg auf 800 Prozent und beträgt heute haarsträubende 14.000 Prozent. Diese brutalste Form der Enteignung von Sparguthaben und unerschwingliche Preise trafen gerade die ärmeren Schichten und ließen an die drei Millionen ins Ausland flüchten.

Dagegen fallen die unbestreitbaren Leistungen der Regierung kaum ins Gewicht. Was nützen freie Bildung für alle, kostenloser Gesundheitsdienst und Sozialwohnungen für Slumbewohner, die keine Mägen füllen? Noch schlimmer: Wachsende Armut begünstigt Kriminalität. Laut UNO stieg die Zahl der Morde pro Jahr in Venezuela von 6000 im Jahr 1999 auf 28.479 im Vorjahr. Die Hauptstadt Caracas führt mit 3387 Opfern die weltweite Mordliste an.

Mit der gesellschaftlichen Talfahrt wächst der Einfluss der Armee. Sie sitzt an allen politisch wichtigen Hebeln und will opulente Privilegien - zumal für 4000 Generäle in der 515.000-Mann-Armee - nicht durch einen Machtwechsel gefährden. In lateinamerikanischer Tradition hat sie schon zweimal Massenproteste gegen Maduro zerstreut. Sie hätte in Konflikten zwischen Regierung und Opposition das entscheidende letzte Wort - wie bisher 64 Mal in Venezuelas 207-jähriger Geschichte.

Für den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" zogen Chavez und Maduro keine Lehren aus dem wegen grundlegender Fehler kollabierten "Realsozialismus" im Ostblock. Venezuelas abgewirtschafteter "Sozialismus" gehört also dorthin, wohin Leo Trotzki die Gegner seines Kampfgenossen Lenin wünschte: auf den "Müllhaufen der Geschichte".