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"Sozialismus ja, Verstaatlichung nein"

Von Alexander U. Mathé

Politik

Stabile Demokratie sichert Sozialstaat. | Ein-Partei-System schadete Afrika. | "Wiener Zeitung":Herr Präsident, 1966 war ihr Land noch einer der zehn ärmsten Staaten der Welt. Heute hat es das höchste Pro-Kopf-Einkommen Afrikas. Was ist das Geheimnis Botswanas?


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Festus Mogae: Ein Faktor ist sicher unsere ausgeprägte Demokratie. Von Anbeginn unserer Unabhängigkeit hatten wir eine Mehrparteien-Demokratie. Das ist ein Teil unserer Kultur. Schon früher waren unsere Stammesführer gezwungen, sich mit dem ganzen Stamm zu beraten, wann immer sie etwas tun wollten. Diese Tradition ist dann in den modernen demokratischen Institutionen wie dem Parlament aufgegangen. Das Konzept, eine Idee zu haben und diese dem Volk zu verkaufen, war also unseren Leuten nie fremd. Das glaube ich, ist ein Teil unseres Erfolgsrezepts. Zum anderen haben wir die uns angebotene internationale Hilfe sehr effektiv genutzt. Wir haben Minerale gefunden und begonnen, die mit internationaler Hilfe abzubauen.

Auch andere Länder haben wie Sie Mineral- und speziell Diamantenvorkommen und denen geht es nicht so gut. Wo liegt der Unterschied?

Wie gesagt, in der Demokratie. In vielen Ländern wurden die Bodenschätze von Ein-Parteien-Staaten kontrolliert, die seinerzeit in Afrika sehr verbreitet waren. Ebenso verbreitet war der zentralistische Sozialismus, die Verstaatlichung der Produktionsfaktoren, wie es Marx und Engels nennen würden. Die Bodenschätze wurden zu einem Monopol der herrschenden Elite. Wir haben jedoch die ganze Zeit über unser demokratisches System beibehalten und dabei zwar an soziale Werte geglaubt, nicht aber an die sozialistische Verstaatlichung.

Wie haben Sie die Angelegenheit gelöst?

Die Minerale sind in Botswana von ausländischen Firmen entdeckt worden. Die hatten das Know-how und das Kapital, um sie abzubauen und zu verwerten, also haben wir sie das tun lassen. Gleichzeitig haben wir ihnen aber gesagt, dass wir daran teilhaben und von den Entwicklungen profitieren wollen. Wir haben daran geglaubt einen Wohlfahrtsstaat schaffen zu können, ohne zu verstaatlichen.

In der Tat hat Botswana ein sehr ausgeprägtes Sozialsystem. Schule, Studium und Gesundheitswesen sind gratis. Sogar mancher europäischer Staat hat damit Probleme. Wie finanzieren sie das?

Das bleibt erst einmal abzuwarten, ob wir das auf Dauer finanzieren können. Aber was wir gemacht haben, war grundsätzlich recht einfach: Wir haben einiges von dem Geld, das wir für den Edelsteinabbau erhalten haben, in die Ausbildung der Bevölkerung investiert. Denn das Volk ist das größte Kapital, das ein Staat hat und die Bildung entwickelt dieses Kapital. Im Gesundheitswesen haben wir uns darauf konzentriert eine flächendeckende Erstversorgung zu schaffen. Daher haben wir statt großer Krankenhäuser lieber kleine Gesundheitszentren und Kliniken gebaut.

Aber es gibt doch auch große Krankenhäuser in Botswana?

Ja, aber erst seit den 90er Jahren und wie gesagt: Wir müssen erst einmal sehen, ob wir uns das auch weiterhin leisten können. Die Aids-Behandlung ist in unserem Land vollkommen kostenlos. Derzeit zahlen Sie für eine Privatordination umgerechnet 20 Euro-Cent. Wir haben dieses System teilweise dadurch aufrecht erhalten können, dass wir nur wenig Einwohner haben. Aber die Bevölkerung wächst und stellt immer höhere Ansprüche. Wir überlegen, die Bevölkerung dazu anzuhalten einen fairen Beitrag zum Sozialsystem zu leisten. Derzeit debattieren wir aber, was unter "fair" zu verstehen wäre.

Apropos demokratische Debatte: Sie haben in Wien am Forum zur "Neuerfindung des Regierens" teilgenommen. In Botswana lobt Sie sogar die Opposition. Haben Sie das Regieren bereits neu erfunden?

Der Titel des Forums ist ziemlich extravagant, mehr ein Ear-catcher, um die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Ich finde die wichtigste Frage ist: "Wie kann man das Vertrauen des Volkes aufrechterhalten bzw. wiederherstellen, wenn es gebrochen wurde?"

Auch da scheinen Sie ein Vorreiter zu sein, denn Ihre Korruptionsrate liegt niedriger als in den meisten europäischen Ländern

Ja, Transparenz ist eine hervorragende vertrauensbildende Maßnahme. Ebenso auch dass man die Zivilgesellschaft über die Politik und Vorhaben der Regierung aufklärt. Die Regierung muss ihre Politik offen und öffentlich verkaufen.

Afrikas Musterstaat Botswana

+++ Wer kein Rind hat, ist ein Niemand