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Sozialjahr für alle als Alternative

Von Brigitte Pechar

Politik
Das Rote Kreuz beschäftigt mit fast 4000 Zivildienern die meisten Wehrersatzdiener in Österreich. Foto: BilderBox

Rotes Kreuz hält Diskussion über Sozialjahr für sinnvoll. | Sozialforscher für Einbeziehung der Frauen, wenn Männer zu Hause Halbe-Halbe leisten. | Wien. Die Sozialhilfeorganisationen ringen jährlich darum, ausreichend Zivildiener zugeteilt zu bekommen. Auf der anderen Seite leistet ein Drittel der Männer eines Jahrgangs Zivildienst als Wehrersatzdienst. Gibt es ausreichend Budget für den Zivildienst, können alle dafür vorgesehenen Männer diesen ableisten, fehlt es am Budget, bildet sich ein Rückstau. Die jungen Menschen müssen warten, bis sie den Zivildienst antreten können. | Innenministerin dreht Geldhahn auf | Zivildiener-Anzahl auf 12.800 gekürzt


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Um dieses Problem künftig besser in den Griff zu bekommen, haben sich am Dienstag Verantwortliche der Bundesarbeitsgemeinschaft für soziale Wohlfahrt mit Vertretern des Innenministeriums getroffen. Vorerst wurde vereinbart, das Budget für heuer von 59 Millionen um zwei Millionen Euro zu erhöhen. Auch die Zuweisung der Zahl der Zivildiener wurde gegenüber dem ursprünglichen Plan etwas erhöht.

Im Vorjahr gab es 14.115 Zivildienstpflichtige und 39.817 Personen im Präsenzdienst. Als die Möglichkeit des Zivildienstes 1975 in Österreich eingeführt wurde - und auch noch viele Jahre danach - herrschte im Heer Skepsis gegenüber diesem Wehrersatzdienst: Man befürchtete, den Eigenbedarf dann nicht mehr decken zu können. Zu Beginn wurden denn auch die Hürden für Zivildiener ziemlich hoch angesetzt: Gewissensvorbehalte gegen den Dienst mit der Waffe mussten vor einer Kommission glaubhaft gemacht werden. Seit 1991 reicht eine formelle Erklärung. Seither ist die Zahl der Zivildiener stark angestiegen. Das wiederum führte dazu, dass die Zeit des Zivildienstes auf zwölf Monate verlängert wurde. Auf Anregung der Bundesheerreformkommission wurde 2004 die Wehrdienstzeit auf sechs Monate und dementsprechend auch die Zivildienstzeit auf neun Monate verkürzt.

Die kontinuierliche Reduktion der Heeresstrukturen aufgrund struktureller Unterbudgetierung verringerte hier kontinuierlich den Bedarf an Rekruten. Die Verkürzung der Zivildienstzeit und die zögerliche Zuweisung führt aber immer wieder zur Debatte um ein Sozialjahr.

Sozialjahr, aber freiwillig

Das freiwillige Sozialjahr ab 18 Jahren gibt es bereits. Erst am Dienstag wurde die Verlängerung der Förderung in Höhe der Familienbeihilfe vom Ministerrat beschlossen. So etwa wäre ein Sozialjahr für das Rote Kreuz, die größte Freiwilligenorganisation und gleichzeitig auch jene mit den meisten Zivildienern, ein wertvoller Schritt. Wenn damit auch die Frage verbunden wäre, ob auch Frauen dieses Sozialjahr leisten müssten, erklärte Pressesprecherin Andrea Winter, müsse man bedenken, was Frauen schon heute für die Gesellschaft leisten.

Auch Sozialforscher Bernd Marin kann sich - in Anlehnung an den verstorbenen Soziologen Ralf Dahrendorf - eine Diskussion über ein Sozialjahr vorstellen. Wobei auch er für die Einbeziehung der Frauen ist, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Männer ihre Hälfte im Haushalt oder bei der Pflege erfüllen. Dieses Sozialjahr, sagt Marin, könnte man irgendwann im Laufe des Lebens oder während einer Arbeitslosenzeit leisten.

Der Soziologe Max Haller hält ein Sozialjahr zwar grundsätzlich für "nicht schlecht - und zwar für Mädchen und Burschen". Er legt aber Wert auf Freiwilligkeit. Die Freiwilligentätigkeit sei im angelsächsischen Raum stärker verbreitet, was einerseits mit der Religion (Protestantismus), andererseits mit dem geringer ausgebauten Wohlfahrtsstaat zusammenhänge. Er hielte etwas Ähnliches auch für Österreich für sinnvoll, etwa eine bestimmte Zeit lang in der Pflege zu arbeiten - die aber nur für angehende Mediziner.