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Sozialleistungen mit Inflation erhöht

Von Martina Madner

Politik
Bei den ärmsten 10 Prozent der Haushalte betrug der Anteil der Familienleistungen laut Wifo-Studie sogar 42 Prozent.
© Piron Guillaume

Warum eine höhere Familienbeihilfe, mehr Arbeitslosengeld und Sozialhilfe am meisten als Teuerungsausgleich helfen.


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Angesichts einer Teuerung von acht Prozent im Mai präsentieren ÖVP und Grüne nun doch noch rasch ein Paket als Ausgleich. Dem Vernehmen nach sollen laut Austria Presseagentur die Abschaffung der kalten Progression und 250 Euro Klimabonus für alle fix sein. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) ließ die "Wiener Zeitung" darüber hinaus schriftlich auf Anfrage wissen, dass er sich "besonders für die Menschen mit geringem Einkommen eingesetzt" habe.

Von dem ebenfalls paktierten regelmäßigen Teuerungsausgleich werden also jene mit einer sogenannten Mindestpension, also einer Pension in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes, Alleinerziehende, Studierende und andere von der Teuerung besonders stark betroffene Gruppen besonders profitieren. "Sie brauchen sowohl rasche Soforthilfen als auch langfristige, strukturelle Maßnahmen". Wichtig sei Rauch dabei die regelmäßige Erhöhung von Sozialleistungen im Ausmaß der jeweiligen Teuerungen.

Damit ist also gewiss, dass es bei dem laut Austria Presseagentur mehrere Milliarden Euro schweren Paket nicht nur Einmalzahlungen gibt, die schon im Sommer wirken sollen, sondern ein laufender Ausgleich erfolgt. Dem Vernehmen nach geht es unter anderem um eine regelmäßige Wertanpassung der Familienbeihilfe, des Pflegegeldes, des Arbeitslosengeldes und der Sozialhilfe.

Familienbeihilfe wichtig für Chancengleichheit

"Die Familienbeihilfe ist nach wie vor das wichtigste Instrument, um Chancengleichheit herzustellen", erklärt Wifo-Ökonomin Silvia Rocha-Akis, die sich seit Jahren mit der Verteilungswirkung von sozialstaatlichen Leistungen und sozialer Sicherheit auseinandersetzt. Familien, insbesondere Alleinerziehende (46 Prozent, 2020) und Familien mit drei und mehr Kindern (25 Prozent), sind häufiger armuts- oder ausgrenzungsgefährdet als der österreichische Durchschnitt (17 Prozent). Im unteren Einkommensdrittel besteht das verfügbare Haushaltseinkommen zu 29 Prozent, im mittleren zu 15 und im oberen zu 7 Prozent aus Familienleistungen. "Bei den ärmsten zehn Prozent der Haushalte betrug der Anteil der Familienleistungen sogar 42 Prozent", sagt Rocha-Akis.

2011 gab es zuletzt größere Reformen bei den Familienleistungen. Damals wurde die erst 2008 eingeführte dreizehnte Familienbeihilfe um ein niedrigeres Schulstartgeld ersetzt. Außerdem wurde der Mehrkindzuschlag von 36,40 auf 20 Euro reduziert. Dabei wäre genau dieser besonders treffsicher, "und es sind Leistungen, die sehr hohe Akzeptanz genießen". Schließlich gibt es beim Mehrkindzuschlag eine Familieneinkommensobergrenze von 55.000 Euro im Jahr.

Einkommensabhängige Familienleistungen wie der erst kürzlich erhöhte Kinderbonus zeigen in den Studien ihre - nach oben umverteilende - Wirkung noch nicht. Klar ist aber, dass Sachleistungen wie Kinderbetreuung für mehr Chancengleichheit sorgen. "Allerdings profitieren auch davon jene mit höheren Einkommen mehr", sagt Rocha-Akis. Der Grund seien Barrieren, etwa dass jene mit Erwerbsarbeit bei der Vergabe von Plätzen bevorzugt werden: "Deshalb hat ein wichtiger Teil der Bevölkerung keinen Zugang zu Gratiskinderbetreuung."

Auch Sybille Pirklbauer, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien, stellt fest, dass der Grundbetrag der Familienbeihilfe seit der letzten Anpassung 2018 14 Prozent seines Wertes eingebüßt hat. Insgesamt aber lasse sich diese Leistung nicht so einfach vergleichen, "da auch Alter- und Mehrkindstaffelung verändert und Manches wie der Kinderabsetzbetrag auch erhöht wurde".

Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Mindestpension zu niedrig

Angesichts einer Armutsgefährdungsschwelle von 1.371 Euro pro Monat und eines Ausgleichszulagenrichtsatzes von aktuell 978 Euro stellt Pirklbauer fest, dass "der Satz einfach zu niedrig ist". Bei den Mindestpensionen, die diesen Satz vierzehn Mal jährlich erhalten, entspricht er 1.141 Euro zwölf Mal jährlich. Diese Sozialleistung kommt als Sozialhilfe auch vielen Arbeitslosen, deren niedrigere 55-prozentige Nettoersatzrate damit aufgestockt wird, zugute. "Wir fordern daher nach wie vor eine Erhöhung auf 70 Prozent", sagt Pirklbauer.

Schließlich erhalten Arbeitslose im Moment im Durchschnitt 1.083 Euro, jene mit Notstandhilfe 858 Euro im Monat - zwölf und nicht 14 Mal im Jahr. Mehr noch: 72 Prozent aller Haushalte mit Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezug entfallen auf das untere Einkommensdrittel. Obwohl vom Einkommen abhängig, verliert es an Wert: "Das Arbeitslosengeld bemisst nach dem Einkommen aus dem Vorjahr, im ersten Halbjahr aus dem Vorvorjahr", sagt Pirklbauer. "Je länger man arbeitslos ist, desto weniger ist die Notstandhilfe wert, weil sie sich nicht erhöht", ergänzt Rocha-Akis.

"Sozialleistungen tragen zum sozialen Ausgleich entscheidend bei und wirken armutspräventiv", stellte die Armutskonferenz vor kurzem fest. Der Sozialstaat reduziere die Armutsgefährdung von 45 auf 14,7 Prozent. Am stärksten wirken Arbeitslosengeld, Notstands- und Mindestsicherung sowie das Pflegegeld und die Wohnbeihilfe. Letztere müssten, weil Landesmaterie, die Bundesländer erhöhen.