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Sozialleistungen sind für alle gleich

Von Brigitte Pechar

Politik

Gutachten zu Mindestsicherung: Sachleistungen wie Wohnungen dürfen Geldleistungen teilweise ersetzen. Residenzpflicht ist zulässig.


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Wien. Darf die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) für Asylberechtigte weniger betragen als für Österreicher? Um diese Frage wird seit Jänner gerungen - als Oberösterreich die Kürzung der BMS angekündigt hat. Andere Länder wie Salzburg, Niederösterreich und das Burgenland haben die Mindestsicherung für subsidiär Schutzbedürftige auf das Niveau der Flüchtlings-Grundversorgung zurückgeschraubt. Die Antwort kurz gefasst: im Wesentlichen nicht.

Konkret will Oberösterreich die Kürzung der BMS für asylberechtigte Einzelpersonen von 914 auf 520 Euro demnächst beschließen. 365 Euro davon macht der Richtsatz für die Grundversorgung aus, 155 Euro sollen als Integrationsbonus dazukommen, falls eine Integrationsvereinbarung unterzeichnet und später darüber auch ein Nachweis erbracht wird.

Seit Mittwoch liegt nun ein Gutachten vor, das die Bundesregierung beim Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien unter Professor Robert Rebhahn in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten umfasst 150 Seiten. Ob es für eine Klärung der Debatte sorgen kann, ist fraglich. Denn sofort nach Bekanntgabe fühlten sich sowohl Sozialminister Alois Stöger, der sich schon zuvor gegen eine Kürzung der BMS für anerkannte Flüchtlinge ausgesprochen hatte, als auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), der im Gutachten eine Bestätigung für Oberösterreichs Kürzungspläne sieht, bestätigt.

Das Gutachten besagt, dass Asylberechtigte grundsätzlich gleich wie österreichische Staatsbürger behandelt werden müssen. Sachleistungen, die auch für Staatsbürger vorgesehen sind, seien zulässig. Allerdings: Wohnungen zählen als Sachleistung, auch wenn dies bei österreichischen Staatsangehörigen nur in Ausnahmefällen so ist.

Sanktionen bei Integrationsunwilligkeit

Wenn Menschen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiär Schutzberechtigte (sie haben keinen Asylstatus, dürfen aber nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden) geforderte Integrationsmaßnahmen verweigern, kann die BMS gekürzt werden - und zwar in dem Ausmaß wie sie auch Staatsbürgern bei mangelnder Arbeitsbereitschaft gekürzt wird.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung besteht derzeit mindestens aus 628,32 Euro plus 209,44 Euro Wohnkostenanteil pro Monat, also 837,76 Euro pro Monat. Wenn eine arbeitsfähige Person Arbeit verweigert, kann die BMS stufenweise und maximal um bis zu 50 Prozent gekürzt werden, eine weitergehende Kürzung oder ein völliger Entfall ist nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen zulässig. Die Leistungen für Kinder werden allerdings nicht eingeschränkt. Außerdem darf im Sinne der Delogierungsprävention der 25-prozentige Wohnkostenanteil nicht geschmälert werden.

Mindestsicherungskürzung bei Verletzung der Residenzpflicht

Das Gutachten stellt weiters fest, dass eine sogenannte Ortspflicht, also die Zuweisung von Asylberechtigten an einen bestimmten Wohnort, zulässig ist, wenn ein "migrationspolitisches Interesse" gegeben ist, "insbesondere nach einem verhältnismäßig großen Zustrom innerhalb kurzer Zeit". Bei Verletzung der Residenzpflicht sei eine Kürzung der BMS zulässig, besagt das Gutachten.

Für subsidiär Schutzberechtigte ist laut Gutachten eine Kürzung auf Kernleistungen möglich. Das sei laut Rebhahn aber so zu interpretieren, dass die derzeitige BMS eine Kernleistung ist. Und weiter heißt es: "Der Gesetzgeber kann subsidiär Schutzberechtigte vom Bezug der Familienbeihilfe ausschließen." Das Gutachten sieht auch Gründe für eine Senkung der Sozialleistungen an Schutzberechtigte vor - und zwar bei "Massenzustrom" und wenn ein Mitgliedstaat im Vergleich zu anderen "stark unverhältnismäßig belastet" wird. Das gelte aber nur für neue Anträge und das Gutachten betont explizit, dass diese Überlegungen nicht zum Tragen kommen, solange der am 18. März von der EU mit der Türkei vereinbarte Plan einen unkoordinierten Massenzustrom verhindere.

Für Sozialminister Stöger bedeutet das Gutachten Folgendes: "Keine willkürlichen Kürzungen, sondern Änderungen, wo sie Sinn machen." Er sieht sich auch darin bestätigt, stärker auf Sachleistungen zu setzen, etwa bei Wohnungen oder bei Energiekosten. Der Minister spricht sich außerdem für mehr Integrations- und Arbeitsanreize für Asylberechtigte aus. Eine Kürzung der BMS wie Oberösterreich das plant, "wäre mit internationalem, österreichischem und europäischem Recht nicht vereinbar", betonte Stöger. Er hofft nun, dass sich die Ländervertreter auf Basis dieses Gutachtens bei einem Treffen am 25. April einigen.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka warf Stöger eine "Falschinterpretation" des Gutachtens vor und sah die Vorgangsweise in Oberösterreich "rechtlich gedeckt". "Österreich kann seine Leistungen an Flüchtlinge und Migranten absenken", so Lopatka.

Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) rechnet jedenfalls mit Mehrkosten bei den Sozialleistungen. Sie fordert allerdings österreichweit gleiche Integrationsstandards, damit die Flüchtlinge nicht nach Wien drängen.