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Im Jahr 2021 wurden mit 4.346 Anzeigen rund sechs mal so viele Betrugsfälle aufgedeckt wie noch vor vier Jahren.
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"Unser Sozialsystem hilft den Schwächsten, aber Solidarität ist keine Einbahnstraße", eröffnete Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sein Statement über die Bilanz der Spezialeinheit für Sozialleistungsbetrug. Man müsse auch an die Financiers dieser Leistungen, die Steuerzahler, denken. Das Geld fehle dann nämlich für die Projekte, die man eigentlich umsetzen wolle. Seitdem die Spezialeinheit 2018 ihre Arbeit aufgenommen hat, haben sich die aufgedeckten Betrugsfälle vervierfacht.
Ein neues Geschäftsmodell
Deshalb habe man eine "Aktion Scharf" als "Aktion Gerecht" gestartet, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Als Kontrolldelikt könne man man die Dunkelziffer bei Sozialleistungsbetrug durch vermehrte Kontrollen sehr gut drücken. 11.158 Anzeigen habe man seit Einrichtung der Spezialeinheit bearbeitet und einen Schaden von insgesamt über 60 Millionen Euro aufgedeckt. Allein 2021 waren es 19,3 Millionen, 2020 sogar 20,1 Millionen Euro. In diese Summen wird auch der versuchte Schaden, also der Schaden, der entstanden wäre, wenn der Betrug nicht aufgedeckt worden wäre, eingerechnet.
Unter den häufigsten Begehungsformen sind die Erschleichung von Arbeitslosengeld bei gleichzeitiger Schwarzarbeit, unrechtmäßiger Bezug von Kindergeld und Betrug in Verbindung mit Pensionsleistungen. Vor allem das Ausnutzen von Arbeitslosengeld habe inzwischen System bekommen, sagte Wilfried Lehner, der Leiter der Finanzpolizei. Es sei quasi ein neues Geschäftsmodell, die Angestellten geringfügig anzumelden, obwohl sie in einem viel höheren Stundenausmaß arbeiten, und sie dann arbeitslos zu melden. Die Sozialleistung werde dann von den Unternehmen als Teil der Bezahlung gesehen und sich so ein unlauterer Wettbewerbsvorteil erschlichen.
Konzentrierte Kompetenz
So sei es zum Beispiel bei einem Türkischen Supermarkt gewesen. Auch eine Reiningungs- und eine Securityfirma hätten so ihren Profit gemacht. "Eine typische Häufung gibt es auch im Bau- und Baunebengewerbe", erklärt Lehner. Die Spezialeinheit arbeite deshalb so eng mit der Finanzpolizei zusammen, weil in diesen Fällen auch oft Sozialbetrug, also das Vorenthalten von Sozialversicherungsabgaben durch nicht ordnungsgemäßes Anmelden der Arbeiter, begangen werde.
"Sozialleistungsbetrug ist eine Querschnittsmaterie", sagte Brigardier Gerald Tatzgern, der Leiter der neuen Abteilung 8 im Bundeskriminalamt (BKA). Seit Dezember 2021 sind in dieser Abteilung die Ermittlungsbereiche Schlepperei und Menschenhandel, Visaerschleichung und illegales Glückspiel, ebenso wie Sozialleistungsbetrug und die zugehörige Spezialeinheit gebündelt.
Sozialleistungen trotz 17 Ferienwohnungen
Tatzgern berichtete von einem Extrembeispiel: Eine Frau habe sowohl Arbeitslosengeld als auch Notstandshilfe bezogen, obwohl sie ein nicht unerhebliches Nebeneinkommen verdient hatte - 80.000 Euro über sechs Jahre, aus der Vermietung von ganzen 17 Ferienwohnungen und einer Villa in Kroatien.
Innenminister Karner führte die große Anzahl an Sozialleistungsbetrugsfällen auf illegale Migration zurück. Österreich sei eines der am stärksten betroffenen Länder in der EU. Die Betrugsfälle bei Sozialleistungen würden anteilsmäßig zu 70 Prozent von Fremden begangen. Brigardier Tatzgern gibt noch ein Beispiel: Man habe einen Schlepper verhaftet und im Zuge dessen herausgefunden, dass der Mann und seine Frau außerdem zu Unrecht Sozialleistungen beziehen.