Finanzieller Anreiz für Bezieher von Sozialhilfe, in den Job zurückzukehren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Während ÖVP und SPÖ ideologisch über die Mindestsicherung streiten, wollen Wirtschaftskammer und Gewerkschaftsbund eine Reform. Mit einer "erweiterten Mindestsicherung" wollen sie mehr Bezieher zurück in den Arbeitsmarkt bringen. Damit reagieren sie auf einen Vorstoß, den der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, in der "Wiener Zeitung" gemacht hat.
Wenn sich Lohn nicht lohnt
Kopf sprach von einer "Inaktivitätsfalle", wenn der Abstand zwischen der Mindestsicherung und den Löhnen zu niedrig ist. Er brachte das Beispiel eines Haushaltes mit drei Kindern und 1600 Euro Mindestsicherung. Ist die Frau daheim, müsste der Familienvater mit Hauptschulabschluss für dasselbe Geld 2400 Euro brutto verdienen, was nicht sehr realistisch ist. Als Ausweg schlug Kopf vor, als zusätzlichen Anreiz etwas auf den Lohn draufzulegen, ähnlich wie ein Kombilohn.
Auf Nachfrage befürworten sowohl der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, als auch Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, den Vorstoß. "Ich halte viel von Anreizmodellen, mit denen man die große Zahl an Mindestsicherungsbeziehern reduzieren kann." Handlungsbedarf sieht Gleitsmann vor allem im Niedriglohnbereich. Derzeit ersetzt der neue Lohn die Mindestsicherung 1:1. "Eine erweiterte Mindestsicherung könnte darin bestehen, dass man bei Jobannahme einen Teil der Mindestsicherung weiter gewährt", sagt Gleitsmann. Der Familienvater bekäme die 1600 Euro und weiterhin einen Teil der Mindestsicherung - zum Beispiel 200 Euro - als Anreiz. "Es wäre nicht sofort alles weg, einen Teilbezug würde es weiter geben." Die Höhe sei Verhandlungssache.
Achitz hat besonders jene Gruppe im Blick, die zwar arbeitet, aber weniger verdient als die Mindestsicherung und deswegen eine "Ergänzungsleistung" bekommt. In Wien beziehen schon drei Viertel oder 92.000 Menschen so eine Kombination aus Lohn und Mindestsicherung.
Weg aus der Teilzeitfalle?
Bekäme der Familienvater nur 1200 Euro im neuen Job, was bei einem Hauptschulabschluss realistischer ist, würden nicht die vollen 1200 Euro auf die Mindestsicherung von 1600 Euro angerechnet, sondern nur 1000. Das heißt: Er bekäme statt der 400 Euro nun 600 Euro zusätzlich zum Lohn. Oft sind es Menschen mit Teilzeitjobs, die eine Mindestsicherung als Ergänzungsleistung bekommen. "Hier könnte eine erweiterte Mindestsicherung ein positiver Anreiz sein, die Wochenstunden zu erhöhen", sagt Achitz.
Das Sozialministerium verweist darauf, dass die Länder schon jetzt einen "Wiedereinsteigerfreibetrag" zwischen 55 und 135 Euro gewähren können, der über 18 Monate auf den Lohn aufgeschlagen wird.
"130 Euro erscheinen mir viel zu niedrig. Abgesehen davon wird der Freibetrag offenbar kaum vollzogen", sagt Kopf. "Ich halte ein ordentliches Modell für sinnvoll, das man mit Experten und NGOs entwickelt." Er plädiert für eine prozentuelle Anrechnung statt fixer Beträge. Was die Bezugsdauer betrifft, gebe es Argumente für und gegen eine Begrenzung.
Aus der Niederösterreichischen Landesregierung heißt es: "Aus Rückmeldungen wissen wir, dass der Freibetrag nicht sehr oft gewährt wird. Das könnte an der Höhe aber auch der komplexen Berechnung liegen. Um einen Reformbedarf festzustellen, müsste man ihn evaluieren." Das dürfte schwer werden. Der Freibetrag wird in den Bundesländern nicht einmal statistisch erfasst.
Aus dem Büro der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely heißt es: "Unter den Beziehern von Mindestsicherung sind viele Menschen, die aufgrund ihrer Vermittlungsdefizite nicht sofort oder sogar auf Dauer nicht vermittelbar sind. Hier bringt ein Kombilohnmodell keine Lösung." Stattdessen sollten Förderungen zur Reintegration in den Arbeitsmarkt ausgeweitet werden.