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sozialpartner.ade?

Von Reinhard Göweil

Politik

Beim Dialog in Bad Ischl geht es eigentlich um die digitale Welt, aber es gibt dort auch eines - unüberhörbare Differenzen.


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Bad Ischl. "Die Sozialpartner streben an, dass alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten gesellschaftlichen Gruppen an den Produktivitätsgewinnen teilhaben können." Der Satz darf natürlich in einem Sozialpartner-Papier nicht fehlen, er stellt quasi die DNA des institutionalisierten Interessensausgleichs dar. Bei der diesjährigen Tagung geht es um die Herausforderungen der Digitalisierung, ein brennendes und wichtiges Thema für Unternehmen und deren Beschäftigte.

Trotzdem überlagerten die aktuellen Diskussionen das Tagungs-Motto, denn da traten unüberhörbare Differenzen zu Tage. Dabei wären es genau die Sozialpartner, die solche Differenzen intern besprechen und dann mit Lösungen daherkommen.

Doch nachdem Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl am Samstag das Nein zur sechsten Urlaubswoche (nach 25 Arbeitsjahren) öffentlich bekräftigte, nutzte Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske die Gelegenheit, um ihm eher deutlich zu widersprechen. Das Kalkül der Arbeitnehmervertreter ist, die Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen.

Streit um Bonus-Malus-System

Auch die zweite Forderung, ein Bonus-Malus-System zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer einzuführen, wird von Leitl strikt abgelehnt. Unternehmen ab 25 Mitarbeiter sollen eine Abgabe bezahlen, wenn sie weniger über 55-Jährige beschäftigen. Mit dem Geld erhalten Betriebe, die ältere Arbeitnehmer einstellen, eine Bonuszahlung. Im September stieg die Arbeitslosigkeit von über 50-Jährigen in Österreich im Jahresvergleich um 15,7 Prozent, also deutlich über dem Durchschnitt. Für die Gewerkschafter ein klares Signal, dieses Bonus-Malus-System endlich umzusetzen. Es steht im Regierungsübereinkommen, die Wirtschaftskammer lehnt dies aber mit dem Hinweis ab, dass dadurch "unternehmerische Freiheit zum Papiertiger" würde.

Von Regierungsseite kommt nun aber Druck. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder sieht die Sozialpartner in der Pflicht, zu einer Lösung zu gelangen. Gar nicht schlecht gefällt ihm die Idee von Finanzminister Hans Jörg Schelling, den Sozialpartnern bei solchen Fragen nur ein halbes Jahr Zeit zu geben und danach ohne sie zu entscheiden, wenn es keine Lösung gibt. Dies könne er mit seinem "Sozialpartner-Herz" nur schwer mittragen, meinte Schieder, betonte aber: "Das ist kein schlechter Vorschlag."

Die Wirtschaftskammer erteilt aber auch allen Ideen einer Arbeitszeitverkürzung eine klare Absage, noch ein Bruch, der durch die Sozialpartnerschaft geht. Die Industrie wiederum hat sich jüngst über die gestiegenen Lohnnebenkosten erneut schwer beklagt. Nun kommt 2016 zwar die Steuerreform, die Einkommen steuerlich entlastet, die Arbeitgeber haben aber die Lohnrunde im Visier. Die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft würden sich auf über fünf Prozent plus summieren, so deren Argument. Und die Arbeitskosten je Stunde würden in Österreich - mit Deutschland - EU-Spitze sein.

Die Digitalisierung der Wirtschaft, die eine noch stärkere Internationalisierung mit sich bringt, macht das Sozialpartner-System in Österreich nicht einfacher. Erstens wird die Automatisierung beziehungsweise der Einsatz "selbstlernender Roboter" Arbeitsplätze mit geringer Qualifikation ersetzen. Zweitens macht diese Digitalisierung den Arbeitsort deutlich flexibler, womit sich die Frage stellt: Wie wird die Sozialversicherung damit umgehen?

Arbeitsmarkt-Paket schrumpft

Die Sozialpartner stellen sich die Frage, erste Antworten werden nun in Bad Ischl gesucht. Die große Frage lautet allerdings, ob die Sozialpartner angesichts der recht starren Konfliktgrenzen dazu in der Lage sind. Wirtschaftskammer-Präsident Leitl meinte zwar, dass die sechste Urlaubswoche kommen könne, wenn die Wirtschaft floriert ("2017 oder so"), derzeit aber nicht. Umgekehrt sieht die Gewerkschaft (und mit ihr die SPÖ) diese Maßnahme als Eckpfeiler eines Arbeitsmarkt-Paketes, das derzeit immer kleiner wird. Die beiden Forschungsinstitute Wifo und IHS konstatieren einen "schleichenden Wettbewerbsverlust" der heimischen Betriebe, der sich aktuell in hohen Arbeitslosenzahlen ausdrückt.

Die Arbeiterkammer will dem gegensteuern und die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen verteilen. Die Wirtschaftskammer will die Unternehmen entlasten, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. In Bad Ischl reden die Sozialpartner auch in informellem Rahmen miteinander. Ob das hilft, ist jedoch wenigstens heuer eher fraglich.