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Sozialpartnerschaft in der Sackgasse

Von Herbert Hutar

Analysen

Pensionsbezieher müssen Verlusten hilflos zusehen. | Wird das System der Pensionskassen zu Grabe getragen? | Finanzminister Josef Pröll hat Ende Jänner den Sozialpartnern den Auftrag gegeben, eine Reform der Pensionskassen zu entwerfen. Die meisten Betriebspensionen leiden seit Jahren an permanenter Auszehrung, und das hat System: In den Verträgen zwischen Arbeitgebern und Pensionskassen ist ein bestimmtes Ertragsziel, der sogenannte Rechnungszins fixiert. Wird dieses Ertragsziel unterschritten, wird die Pension automatisch gekürzt.


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Ein Beispiel: Bei einem Rechnungszins von 5 Prozent und einem Veranlagungsergebnis der Pensionskasse von 3 Prozent wird die Pension um 2 Prozent gekürzt. Besonders arge Ergebnisse hat das in einem Krisenjahr wie 2008. Da heißt es dann: Ertragseinbußen von beispielsweise 10 Prozent verstärkt um einen Rechnungszins von 5 Prozent ergibt ein Pensionsminus von 15 Prozent.

Solche Verluste zwischen 15 und 25 Prozent für mehr als 40.000 Pensionisten und 350.000 Pensionskonten von Aktiven haben das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht. Die Pensionisten sind auf die Straße gegangen, die Arbeitsgruppe wurde eingerichtet: Auf dem Tisch liegt ein Forderungspaket des Seniorenrats, das eine Abgeltung entstandener Verluste fordert. Das System soll durch ein Steuermodell stabilisiert werden, mit mehr Mitsprache für die Pensionisten.

Nur Kassen zufrieden

Die Arbeitsgruppe hat Ende Mai dem Finanzminister das Ergebnis übermittelt. Zufrieden sind nur die Pensionskassen und die hinter ihnen stehenden Banken: Für sämtliche Risiken müssen demnach - wie gehabt - die Pensionisten und die künftigen Pensionsbezieher geradestehen. Die Wiedereinführung einer 2003 abgeschafften Mindestertragsgarantie - gefordert von der Arbeiterkammer - wurde verhindert. In Aussicht gestellt wurden unter anderem: unterschiedliche Risikoprofile für Anwärter (mehr Risiko auf längere Zeit) und für Pensionisten (weniger Risiko). Was die Wirtschaftskammer und die Pensionskassen nicht dazugesagt haben, ist, dass ein solches vermindertes Risiko wiederum von den Pensionisten in Form weiterer Einbußen im zweistelligen Prozentbereich bezahlt werden müsste.

Wirtschaftskammer, Pensionskassen und Banken versuchen, das kleinzureden: Die vom Schutzverband der Pensionskassenberechtigten Pekabe erhobenen knapp 450.000 Geschädigten bezeichnen sie als "einige", und "Sonderverträge". Eine glatte Irreführung der Öffentlichkeit nennt das der Schutzverband.

AK lobt ASVG-System

Das Interesse der Wirtschaftskammer dahinter sieht Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo so: Es könnte eine Nachschusspflicht der Arbeitgeber und/oder eine Belastung der Banken oder auch des Staates mit nachfolgenden Steuererhöhungen entstehen. Die Arbeiterkammer wiederum hat jedwede Steuerbegünstigung für die Betriebspensionisten abgewehrt. Dies mit der Begründung, die reinen ASVG-Pensionisten hätten ja auch keine Begünstigung zu erwarten.

Dass die ASVG-Pensionen nicht ohne Zuschuss aus dem Budget auskommen, wird verschwiegen. Ebenso, dass Schwierigkeiten der Pensionskassen stets ein willkommener Anlass sind, das von den "Roten" favorisierte, öffentlich finanzierte Umlagesystem zu loben. Neue Ausnahmen im Einkommenssteuergesetz für die Betriebspensionen wären aber für das gesamte Steuersystem schädlich, räumt dagegen Wifo-Experte Thomas Url ein.

Als Problemlöser haben die Sozialpartner weitgehend versagt. Der Seniorenrat fordert massiv eine Lösung durch die Politik. Die geschädigten Pensionisten ziehen vor den Verfassungsgerichtshof: Die unauflöslichen Verträge seien sittenwidrig, argumentiert Rechtsanwalt Alfred Noll und fordert im Namen seiner 2600 Klienten deren Geld von den Pensionskassen zurück.

"Belastung verteilen"

Wifo-Experte Thomas Url kommt zu folgendem Schluss: Eine Sanierung der zweiten Säule wäre dringend erforderlich, aber sie kostet Geld. Diese Last wären auf alle aufzuteilen: Auf die Arbeitgeber, von denen ja schon einige Kapital nachgeschossen haben. Die Pensionskassen hätten ihren Anteil zu übernehmen, der Staat am besten in Form eines einmaligen Zuschusses, und auch die Arbeitnehmer ebenso wie die betroffenen Pensionisten.