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Dass die Türkei ihren Botschafter aus Israel abzieht, wird Benjamin Netanjahu ebenso verschmerzen können wie den Stopp der militärischen Zusammenarbeit mit den Türken. Schon seit längerem liegen die diplomatischen Beziehungen auf Eis. Der Anlass dafür, die Tötung von neun türkischen Aktivisten der Gaza-Hilfsflottile vor mehr als einem Jahr, bereitet der israelischen Regierung zurzeit sogar Freude. Man begrüßt, dass die Seeblockade des von der Hamas beherrschten Gazastreifens von einem UN-Bericht prinzipiell als rechtens angesehen wird. Dass dabei die israelischen Sicherheitskräfte unverhältnismäßig brutal vorgegangen sind, wird geflissentlich ignoriert.
Aber andere Probleme wiegen derzeit für Netanjahu und sein von rechten Hardlinern dominiertes Kabinett schwerer - etwa die Sozialproteste. "Nicht die Raketen der Islamisten töten uns, sondern die wirtschaftliche Lage", meinten etwa zehn Demonstranten, die am Freitag aus der südlichen Stadt Be’er Sheva, die von Angriffen aus dem Gazastreifen besonders getroffen wird, nach Jerusalem gekommen waren.
Auch diese kleine Gruppe könnte man ignorieren, wäre sie nicht Vorbotin der größten Massendemonstrationen, die Israel je gesehen hat. Bis zu eine Million Menschen wollen die Organisatoren an diesem Wochenende auf die Straße bringen. Die Regierung hat bis jetzt nur eine Kommission zustande gebracht, will aber an ihrem neoliberalen Kurs weiter festhalten.
Und dann ist da noch die Sache mit Palästina: Um den 20. September herum will Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas den Antrag einbringen, dass sein Land als eigenständiger Staat von der UNO anerkannt wird. Das ist fast exakt ein Jahr, nachdem Barack Obama versucht hat, Palästinenser und Israelis zu Friedensverhandlungen an einen Tisch zu bringen. Da Netanjahu aber, bestärkt von seinen siedlerfreundlichen Koalitionspartnern, nicht vom Ausbau der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem lassen wollte, waren diese Gespräche zum Scheitern verurteilt.
Jetzt steht man dem geplanten einseitigen Schritt von Abbas (ebenso wie die EU übrigens) hilflos gegenüber, obwohl dieser lange damit gedroht hat. Man weiß zwar, dass die USA die Aufnahme eines palästinensischen Staates als reguläres UNO-Mitglied blockieren werden, aber Israels Diplomatie fürchtet ein mittelfristiges Desaster der internationalen Beziehungen.
Kurzfristig rechnen die Israelis zudem mit Massenprotesten der Palästinenser. Niemand kann einschätzen, wie sich diese entwickeln, ob sich eventuell eine neue gewalttätige Intifada anbahnt. Es ist nicht auszuschließen, dass Ultra-Rechte in der Regierung sogar darauf spekulieren. Immerhin haben einige von ihnen schon mit Aufkündigung der Oslo-Verträge gedroht. Damit stünde der Weg zur Annexion des Westjordanlandes frei.