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Über strengere Ausschreibungsregeln sollen Firmen mit heimischen Mitarbeitern bevorzugt werden.
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Wien. Es ist eine Debatte, die so alt ist wie die Öffnung Osteuropas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Durch die Arbeitsmarktöffnung für Rumänen und Bulgaren lebt sie wieder auf. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" spricht der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, von einem "eindeutigen Verdrängungswettbewerb" etablierter Arbeiter durch "neue, junge, billige" Arbeiter aus neuen EU-Ländern.
"Rumänische und bulgarische Maurer wohnen in ungarischen Arbeiterquartieren an der österreichischen Grenze und werden in ,Partien‘ von dortigen Leiharbeitsfirmen auf heimische Baustellen entsandt. Nach ungarischem Sozialrecht sind die Lohnnebenkosten wesentlich günstiger, deswegen können sie billiger arbeiten", umreißt er das "natürliche Lohndumping".
Der einflussreiche Gewerkschafter macht sich wegen dieser Entwicklung sogar schon Sorgen um die Finanzierung des Sozialstaates. "Ein funktionierendes Sozialsystem gerät ins Wanken", sagt er. Denn die Steuern und Sozialabgaben dieser Mitarbeiter würden ins Ausland abfließen. "Ein junger Ungar oder Rumäne ist bereit, 60 bis 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, und fährt dann über die Grenze. Der ältere Arbeiter in Österreich will heim zu seiner Familie."
Bei Letzteren handelt es sich aber nicht in erster Linie um Walter S., sondern eher um Goran M. Muchitsch: "Ausländer verdrängen Ausländer. Früher verdrängten Polen und Ungarn die Türken und Ex-Jugoslawen. Jetzt kommen Rumänen und Bulgaren dazu."
Die Bedrohung aus dem Osten - ein Leibthema der FPÖ. Deswegen zieht der Sozialdemokrat die Reißleine und relativiert: "Ich spiel’ sicher nicht Freiheitlicher und schüre Angst. Wir werden nicht überlaufen." Statt 200.000 Osteuropäern, wie von der FPÖ behauptet, seien nach der letzten Arbeitsmarktöffnung 2011 nur 27.000 gekommen. Und durch die aktuelle Arbeitsmarktöffnung für Rumänen und Bulgaren würden nicht 400.000, sondern lediglich rund 5000 nach Österreich zuwandern.
Am Bau seien aber die Pendler aus den Nachbarländern eindeutig zu spüren. "Der Tisch, an dem alle Platz nehmen wollen, wird zu klein." Das will er auch aus der Arbeitslosenstatistik ablesen können: In der Hochsaison im Juli 2013 stieg die Zahl der Bauarbeiter ohne Job um 23 Prozent auf 18.000. Jetzt im Winter liegt sie saisonbedingt bei 60.000, die meisten Bauarbeiter haben eine Wiedereinstellungszusage. Doch die ist nur eine Absichtserklärung. "Wenn es keine Aufträge im Frühjahr gibt, müssen die Leute zu Hause bleiben."
Und bei den Aufträgen soll nun verstärkt angesetzt werden, um die Inlandsjobs zu schützen. Das hat bereits Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl in der "Wiener Zeitung" gefordert. Muchitsch: "Wir sagen immer, dass jeder Arbeitslose einer zu viel ist. Ein Teil der Arbeitslosigkeit ist selbstgemacht, weil Auftraggeber die Instrumente nicht nutzen, damit regionale Firmen mit ihrem Personal zum Zug kommen." Deswegen fordert er: "Überall dort, wo ein Steuereuro drin ist, kann man verlangen, dass er so eingesetzt wird, dass der Euro in Österreich bleibt."
Der Appell der Gewerkschaft richtet sich an alle staatlichen Stellen, staatsnahe Firmen wie Asfinag oder ÖBB, an Gemeinden oder Wohnbaugenossenschaften. Alle zusammen vergeben pro Jahr zehn Milliarden Euro an Aufträgen. Nicht dazu zählen 192 private Wohnbaugenossenschaften, die weitere 3,5 Milliarden Euro pro Jahr investieren. Niessl meinte dazu: "Die Genossenschaften bekommen Millionen Euro Wohnbauförderung, da gehe ich schon davon aus, dass sie kooperativ sein werden."
Laut EU-Recht dürfen Aufträge bis 100.000 Euro frei vergeben werden. Bis zu einem Volumen von einer Million Euro kann der Auftraggeber im Geheimen fünf Anbieter auswählen. Eine weitere Möglichkeit, inländische Firmen und ihre Mitarbeiter zu bevorzugen, sind strenge Kriterien. Die Wirtschaftskammer, die mit der Gewerkschaft in dieser Frage an einem Strang zieht, hat einen eigenen Leitfaden für "Regionalvergaben" erlassen. "Was vergaberechtlich möglich ist, soll ausgenutzt werden", sagt der Vergabeexperte der Wirtschaftskammer, Matthias Wohlgemuth. Neben dem besten Preis könne man auch Qualitätsstandards, Limits für Transportwege oder detaillierte Transparenzvorgaben für Subfirmen und deren Mitarbeiter verlangen. Mit diesen Auflagen tun sich ausländische Firmen tendenziell schwerer, vor allem was Subfirmen betrifft. Dabei handelt es sich oft um Ein-Personen-Firmen und nicht selten um Scheinselbständige. Sozialminister Rudolf Hundstorfer "unterstützt" das Drängen der Sozialpartner auf mehr regionale Aufträge "wohlwollend". Doch warum nützen die Auftraggeber die Instrumente noch selten, wie Muchitsch glaubt? Wohlgemuth führt das auf den wachsenden Preisdruck zurück. Muchitsch dazu: "Der Bürgermeister hat nichts davon, wenn er billig gebaut hat, aber keine Steuereinnahmen und keine Wertschöpfung mehr hat."