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Leitner will Kern des Proporzprinzips klären lassen. | Folgen könnten weit über St. Pölten hinausreichen. | St. Pölten/Wien. Um seinen Job als SPÖ-Landesvorsitzender im tiefschwarzen Niederösterreich ist Josef Leitner nicht zu beneiden. Nicht einmal seine Regierungsfunktion sorgt für Erleichterung, dabei ist er sogar Landeshauptmann-Stellvertreter.
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Und das, obwohl die ÖVP 2008 auf 54,3 Prozent der Stimmen kam, die SPÖ lediglich auf 25,6 Prozent. Möglich macht dies Artikel 35 der Landesverfassung von 1979, wonach sich die Landesregierung nach dem Stärkeverhältnis der Parteien im Landtag zusammensetzt.
0,0037 Prozent für Leitner
Die ersten Monate war auch aus Sicht Leitners noch alles in Ordnung, ÖVP und SPÖ einigten sich auf die Ressortverteilung, doch im Juni 2008 kam es bereits zum Bruch der Kurzzeit-Partner. Konsequenz: In der Regierungssitzung am 17. Juni übertrug die ÖVP per eigener Mehrheit einen Großteil der Kompetenzen Leitners an ihre eigenen Landesräte. Seitdem darf dieser sich zwar immer noch Landeshauptmann-Vize und Landesrat nennen, doch selbständig entscheiden kann Leitner de facto so gut wie nichts mehr. Lächerliche 245.000 Euro beträgt der Anteil am Jahresbudget, den der SP-Chef eigenverantwortlich verwalten darf. Das entspreche 0,0037 Prozent des Landesbudgets im Umfang von 6,6 Milliarden Euro, so die SPÖ.
Dagegen will Leitner nun vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde einlegen. Unterstützt wird er dabei vom Wiener Rechtsanwalt Andreas Nödl. Die Entmachtung Leitners durch die ÖVP-Mehrheit in der Landesregierung sei ein Bruch des verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Systems der Verhältnismäßigkeit, ist Nödl überzeugt. Denn dieses beziehe sich nicht nur auf die Aufteilung der Landesräte, sondern müsse sich auch in der inhaltlichen Zuständigkeit widerspiegeln. Die politische Degradierung Leitners sei daher, so Nödl, mit dem Proporzprinzip unvereinbar, da dadurch das Mehrheitsprinzip in die Landesregierung Einzug halte.
In der Landesverfassung sind diese Fragen nicht explizit geregelt, doch "fehlende Regelungen dürfen nicht dazu missbraucht werden, den Unterschied zwischen Verhältnismäßigkeits- und Mehrheitssystem stillschweigend und handstreichartig zu beseitigen", sagt Nödl.
In der bereits eingereichten Beschwerde finden sich noch weitere Aspekte, die für Nödl problematisch sind: So finden sich bei zwei von den fünf Zuständigkeitsbereichen Leitners der Zusatz "gemeinsam mit" - und was folgt, ist der Name eines VP-Landesrats. "Rein rechtlich", so Nödl, "darf es diese Formulierung nicht geben, da damit eine neue Kollegialbehörde geschaffen würde."
Leitner selbst, der in seiner Rolle als Landeshauptmann-Stellvertreter als Beschwerdeführer auftritt, strebt eine grundsätzliche Klärung des Proporzprinzips an. Seine Hoffnung: "Vielleicht bedeutet das ja sogar die Verpflichtung zur Zusammenarbeit." Leitners Lage ist dabei keineswegs einzigartig: Neben Niederösterreich gilt der Proporz in den Ländern Steiermark, Oberösterreich, Burgenland und Kärnten - und fast immer auch waren die Zuständigkeiten Gegenstand des Machtspiels. Ein Spruch des Verfassungsgerichtshofs könnte also weitreichende Konsequenzen haben.
Heikle Frage
Wenn die Höchstrichter denn inhaltlich Stellung nehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Gerichtshof in kniffligen Fragen mit dem Hinweis auf Formalfehler entzieht.
Hinter der SPÖ-Beschwerde steht aber auch die Frage, ob man politische Parteien zur Zusammenarbeit rechtlich verpflichten kann? Und was, wenn eine Partei ihr Recht auf Opposition einfordert?
Damit wäre das Proporzprinzip zum Scheitern verurteilt, ein Mehrheitssystem der einzige Ausweg. Daran will Leitner allerdings nicht glauben. Zumindest er ist davon überzeugt, dass Kooperation zwischen allen Parteien funktionieren kann, wenn nur der Wille dazu vorhanden ist.