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Madrid - Selbstbewusst hat Ministerpräsident Jose Maria Aznar am Montag vor dem spanischen Parlament seine EU-Ratspräsidentschaft verteidigt, die mit dem EU-Gipfel von Sevilla am Wochenende beendet worden war. "Ich glaube, wir Spanier können stolz auf unsere Arbeit sein. Die Umstände, unter denen wir unsere Arbeit machen mussten, waren nicht einfach. Die Welt war von den Folgen der Terrorangriffe vom 11. September und von einer starken Wirtschaftskrise geprägt", so Aznar.
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Dennoch habe seine konservative Regierung die wichtigsten Ziele, wie die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der illegalen Immigration sowie Fortschritte bei der EU-Osterweiterung und bei der Reform der EU-Institutionen erreicht. Auch die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung sowie die Modernisierung der EU-Wirtschaftsmärkte habe man vorangebracht, erklärte der scheidende EU-Ratsvorsitzende.
Opfer widriger Umstände
Doch die ersehnten außenpolitischen Erfolge, mit denen Aznar seine turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft krönen wollte, konnte der Spanier nicht vorweisen. Und das kam auch in seiner Rede vor dem spanischen Parlament zum Ausdruck. Anstatt mit konkreten Ergebnissen auftrumpfen zu können, entschuldigte Aznar die Kompromisse und Minimalpositionen unter den europäischen Staats- und Regierungschefs auf den EU-Gipfeln meistens zu recht mit den widrigen internationalen Umständen und Wahlen in verschiedenen europäischen Ländern.
Während die problemlose Einführung des Euro weniger eine Leistung der Spanier war als vielmehr ein Erfolg aller europäischen Länder, scheiterte bereits die Liberalisierung der Energiemärkte auf dem Wirtschaftsgipfel Mitte März in Barcelona. Frankreichs Präsident Jacques Chirac, der sich kurz nach dem Gipfel Wahlen stellen musste, minimierte die von Spanien angestrebte Liberalisierung zu einem eher dürftigen Kompromiss. Unerwartet dominierte vor allem die Zuspitzung des Nahost-Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern das Gipfeltreffen.
Auch Mitte Mai konnte Spanien seine Interessen bei den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und Lateinamerika nicht durchsetzen. Besonders Spanien hatte als Hauptinvestor auf dem lateinamerikanischen Kontinent großes Interesse an konkreten Vertragsabschlüsse gehabt. Dennoch wollten die anderen EU-Länder auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid den meisten lateinamerikanischen Staaten keine festen Zusagen für den Abschluss von Freihandelsabkommen machen. Der Handelsbund Mercosur ging wie die Andenstaaten und Länder Mittelamerikas mit leeren Händen nach Hause. Nur mit Chile wurde ein Handelsabkommen unterschrieben.
Ähnlich dürftige Erfolge brachte das Treffen zwischen der EU und zehn asiatischen Staaten Mitte Juni. Weder konnten die wirtschaftlichen Beziehungen ausgebaut werden, noch erzielte man konkrete eine Annäherung bei der Bekämpfung illegaler Einwanderungsströme aus Asien. Die Kriegsgefahr zwischen den beiden Nuklearmächten Indien und Pakistan überschattete das gesamte EU-ASEM-Treffen.
Und schließlich endete auch Aznars Anliegen, die illegale Einwanderung auf dem EU-Gipfel von Sevilla zu bekämpfen, eher mit einer Minimallösung. Außer markigen Worten gab es wenig Konkretes. In der Abschlusserklärung verzichteten die EU-Staats- und Regierungschefs auf explizite Sanktionen wie eine Kürzung von Entwicklungshilfe gegen Herkunfts- und Transitländer, die sich einer Zusammenarbeit mit der EU beim Kampf gegen die illegale Einwanderung verweigerten. Die EU behielt sich lediglich außenpolitische "Maßnahmen oder Standpunkte" vor.