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Spanien ist das Schlusslicht Europas

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Fast jeder dritte Jugendliche ohne Arbeit. | Drei Mal so viele Immobilien stehen leer, wie der Markt aufnimmt. | Madrid/Wien. Was gestern gebaut wurde, würde man heute am liebsten abreißen: Rund 200.000 Ferien-Immobilien an der spanischen Mittelmeerküste müssten dem Erdboden gleichgemacht werden, um den spanischen Immobilienmarkt in diesem Segment wieder auf Vordermann zu bringen, haben Wirtschaftsforscher in Madrid berechnet.


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"Zu Boom-Zeiten wurden Ferienwohnungen auf dem Papier gekauft. Schon bevor sie fertig waren, haben sie mehrere Male den Besitzer gewechselt und zweistellige Renditen gebracht", sagt Friedrich Steinecker, Österreichs Handelsdelegierter in Spanien, zur "Wiener Zeitung". In der Hoffnung auf künftige Wertsteigerungen bekamen Immobilien-Käufer Fremdfinanzierungen von bis zu 120 Prozent. Heute sitzen sie auf extrem hohen Rückzahlungsraten - ohne entsprechenden Gegenwert.

In Spanien stehen derzeit drei Mal so viele Wohnungen leer wie gebraucht werden. "Mindestens eine Million Wohnungen suchen Käufer - bei einem Bedarf von rund 300.000 im Jahr", sagt Steinecker. Das, obwohl kaum jemand sein Dach über dem Kopf mietet: Rund 70 Prozent der Spanier besitzen ihr Eigenheim.

"Der Aufschwung wird in Spanien länger auf sich warten lassen als im Rest Europas. Nach Jahren des ungebremsten Wachstums muss eine ganze Generation erkennen, dass die Bäume doch nicht in den Himmel wachsen", sagt der Handelsdelegierte. Das Wachstumsmodell der letzten 15 Jahre beruhte größtenteils auf privatem Konsum und Wohnbau, was zu einer Verschuldung von privaten Haushalten und Unternehmen, zu einer Immobilienblase und einem der höchsten Leistungsbilanzdefizite führte. Für 2009 gehen die Wirtschaftsforscher von einem Rückgang des spanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,7 Prozent aus.

Spaniens größtes Problemfeld ist der Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenrate ist seit 2007 von 8,3 Prozent auf 18 Prozent gestiegen - der höchste Wert im OECD-Raum. Die Jugend-Arbeitslosigkeit liegt gar bei 30 Prozent. "Zu Boom-Zeiten haben viele Junge, statt die Schule zu beenden, in der Bauindustrie gearbeitet, wo sie 2000 bis 3000 Euro im Monat verdienten. Jetzt machen sie mangels Jobs die Schule fertig", sagt Steinecker.

"Wo eine Finanzkrise auf eine Immobilienblase trifft - in Spanien und Irland -, erholt sich die Wirtschaft langsamer", bestätigt Oliver Hülsewig, Konjunkturexperte des Münchener Ifo-Instituts. Für 2010 erwarte er für Spanien "alles zwischen Stagnation und 0,3 Prozent BIP-Rückgang". Für Deutschland und Österreich rechne er hingegen bereits wieder mit einem BIP-Wachstum von 1 bis 1,3 Prozent.

Tourismus stagniert

Laut Ifo-Konjunkturindex hellt sich in anderen Euro-Ländern im Herbst die Stimmung zum dritten Mal in Folge auf. Die befragten Firmen beurteilten die Aussichten für die kommenden sechs Monate vor allem für Italien, Deutschland und die Niederlande positiv - am wenigsten optimistisch sind sie für Spanien.

Nicht einmal der Tourismus rettet das Mittelmeerland. "Spanien verliert Marktanteile an die östlichen Mittelmeerküsten", sagt Steinecker. Besonders auf den Kanaren, wo zwei Drittel der Urlauber aus Deutschland und Großbritannien kommen, sei die Buchungslage schlecht. Einzige echte Hoffnung sei die Infrastruktur: Immerhin verfüge Spanien über das weltweit längste Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz sowie über ein gut ausgebautes Glasfasernetz: ein Pluspunkt für die Zeit nach der Krise.