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"Spanien liegt nicht in Europa"

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Salzburger Architektin kehrt iberischer Perspektivlosigkeit den Rücken.


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Madrid/Wien. Initiativbewerbungen, Suche in Jobbörsen und über Bekannte: alles ohne Erfolg. Nach einem halben Jahr intensiver Bemühungen in Madrid hat Veronika Felber aufgegeben und ist nach Wien gezogen. In der spanischen Hauptstadt lässt die studierte Architektin berufliche Träume zurück - und ihren Lebensgefährten Alfredo. "Die Situation wird sich wohl auch in den kommenden zehn Jahren nicht ändern", sagt die gebürtige Salzburgerin ernüchtert, aber nicht resignierend, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Händeringend sucht Spaniens Jugend nach Jobs, sogar als Praktika getarnte Vollzeit-Tätigkeiten, die keinen Cent einbringen, werden genommen; all das bloß, um den Lebenslauf mit etwas Berufspraxis zu schmücken. Dabei sind die Chancen auf eine Anstellung denkbar gering. Nur wenige qualifizierte Jobs wurden in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen. Gleichzeitig drängen so viele Jung-Akademiker wie nie seit Wiedereinführung der Demokratie auf den Arbeitsmarkt. "Alle kleben auf ihren Posten. Und falls doch irgendwo eine Position frei wird, wird der Job an Verwandte oder Bekannte vergeben", erzählt Felber.

Die Architektin hatte bereits in Madrid studiert und dort ihre Diplomarbeit verfasst. Als die 27-Jährige keine Stelle fand, hielt sie sich dank eines Stipendiums acht Monate bei einem Madrider Designbüro finanziell über Wasser. Der Schritt nach Wien, wo sie nun in einem kleinen Architekturbüro arbeitet, ist für Felber trotz nunmehriger Fernbeziehung aufgrund der beruflichen Perspektivlosigkeit ein logischer - in Spanien jedoch ein seltener: Die Iberer seien "eher immobil" und "versuchen alles, um in ihrer Heimatregion zu bleiben".

"Minderwertigkeitskomplex"

Auswandern in europäische Länder oder gar nach Südamerika komme für viele nicht infrage: "Die spanische Bevölkerung plagt ein Minderwertigkeitskomplex gegenüber den nördlichen EU-Staaten. Sie hält deren Einwohner für polyglott, gebildet und reisefreudig." Im Gegensatz dazu richte sich der Blick der Iberer vor allem nach innen, sogar beim Reisen. "Die Spanier sind zwar gerne EU-Mitglied, aber Europa beginnt für sie erst bei den Pyrenäen", schmunzelt die Architektin. Österreich werde dabei als politisch und wirtschaftlich stabil gesehen - und stets mit Deutschland assoziiert.

Wenig Anerkennung genießen die spanischen Politiker im eigenen Land. Sowohl die regierenden Konservativen als auch die Sozialisten werden für die Krise verantwortlich gemacht. "Sie wollen uns ruinieren", skandierten Demonstranten im Juli anlässlich des nun 102 Milliarden Euro schweren Sparpakets der Regierung. Enorm sei hingegen die Solidarisierung innerhalb der Bevölkerung: "Alle sitzen im sprichwörtlichen Boot. Jeder hat Verwandte oder Freunde, die kürzlich entlassen wurden", so Felber. Aus der 2011 gestarteten Protestwelle der Jugendlichen entstand jedoch keine neue politische Bewegung, auch Rechtspopulisten konnten nicht Fuß fassen. Am Zwei-Parteien-System scheint sich derzeit nichts zu ändern.

Keine Änderung erfährt trotz der Krise die spanische Mentalität, meint die Architektin: "Die Menschen sitzen nicht daheim und zittern, was morgen passiert, sondern tummeln sich in den Cafés. Sie feiern weiter das Leben."