Melilla · Nur durch Stacheldrahtverhaue waren sie bisher von den afrikanischen Nachbarländern getrennt, die beiden spanischen Städte Melilla und Ceuta, kleine Enklaven des | südeuropäischen Landes in Nordafrika. Vom Stacheldraht gerissene Wunden konnten aber Tausende illegale Einwanderer aus Algerien, dem Senegal und anderen Ländern Afrikas nicht aufhalten auf ihrem Weg | nach Spanien, auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Hunger.
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Jetzt will Spanien mit meterhohen und scharf bewachten Zäunen die Zuwanderung weiterer Flüchtlinge in die Küstenstädte gegenüber der iberischen Halbinsel verhindern.
Die Bauarbeiten haben bereits begonnen: Kilometerlang sollen sich an den Enklaven am Mittelmeer zwei je drei Meter hohe, parallele und durch eine Straße für Wachpatrouillen getrennte Zäune entlang
der Grenze zu Marokko erstrecken, zehn Kilometer lang um Melilla, acht Kilometer lang um Ceuta. Das Projekt ist mit umgerechnet 570 Millionen Schilling veranschlagt.
Rund 1.900 illegale Einwanderer sind 1997 in die Enklaven geflüchtet, doch nach Ansicht der Regierung hat damit der Flüchtlingsstrom gerade erst begonnen. "Spanien muß seine eigenen Grenzen
schützen", sagt Enrique Beaumud, Madrids Mann in Melilla. Die Enklaven dürften nicht zum Sprungbrett ins übrige Europa werden. Die Polizei hat erst am Montag rund 110 illegale Einwanderer bei dem
Versuch aufgegriffen, illegal nach Spanien zu gelangen. Nach Presseberichten handelte es sich dabei größtenteils um minderjährige Nordafrikaner, darunter einige aus Algerien. Sie waren allerdings
nicht über den Stacheldraht geschlüpft, sondern hatten sich allerdings in einem Lkw versteckt.
Omaro, einem 18jährigen Senegalese, ist die Flucht nach Melilla, nach Europa, noch vor dem Zaunbau geglückt. "Ich bin durch den Stacheldraht gekrochen und habe mir dabei die Gelenke an den Füßen und
die Hände aufgerissen", berichtet er und zeigt seine Verletzungen. Nun wartet er im Flüchtlingslager auf den Bescheid, ob er bleiben kann oder ausgewiesen wird. Im Lager der 400 Kilometer entfernten
Stadt Ceuta wartet Said Yusef aus Algerien ebenfalls. "Ich habe einen marokkanischen Grenzer bezahlt, damit er mir über die Grenze hilft", erzählt der 22jährige.
Der Grenzzaun-Bau hat in Spanien für heftige Debatten gesorgt, und er bleibt umstritten. Beaumud sagt, es sei utopisch zu denken, daß auf diese Weise keine Illegalen mehr ins Land kämen. Die
Regierung versuche jedoch, den Flüchtlingsstrom wenigstens zu kontrollieren. Die spanischen Grenzer sind noch skeptischer: "Die können die Grenze abriegeln, wie sie wollen", sagt einer. Die
Immigranten würden künftig eben über die Zäune springen, denn hinter dem Grenzzaun vermuteten sie das Paradies. "Die werden Menschen nicht aufhalten können, die bereits Tausende Kilometer zu Fuß
hinter sich haben."
Said Yusef, der vor Gewalt und Blutvergießen aus seiner Heimat geflohen ist, sagt, die Flüchtlinge hätten nichts zu verlieren. "Wenn du dein Leben in deiner Heimat ständig aufs Spiel setzt, dann
nimmst du auf der Suche nach Frieden gern noch ein weiteres Risiko in Kauf."
Die Sozialisten (PSOE) werfen der Rechtsregierung von Premier José Maria Aznar Versagen vor. Ein Kontrolle der illegalen Migration sei nur durch eine konzertierte Aktion von Politik, Sicherheits-und
Sozialdiensten möglich. Reuters