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Spanien mit Neustart ins Ungewisse

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Wahlsieger Mariano Rajoy: | "Uns stehen schwere Zeiten bevor."


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Madrid/Wien. Alle Macht liegt in Spanien bei Mariano Rajoy. Mit einem Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen am Sonntag erzielte der 56-Jährige mit seiner konservativen Partido Popular (PP) das beste Ergebnis in der Geschichte der Partei. Auf Allianzen ist der künftige Ministerpräsident mit der absoluten Mehrheit von 186 der 350 Abgeordneten im Kongress somit nicht angewiesen.

Doch niemand kann sagen, was genau auf die Spanier nun zukommt. Rajoy hat zwar wiederholt versprochen, Spanien aus der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Demokratisierung des Landes 1975 herauszuführen. Doch wie genau er das schaffen will, hat er niemals offenbart.

"Wir werden keine Wunder vollbringen", dämpfte Rajoy die Erwartungen nach dem Wahlsieg, bei dem die PP 44,6 Prozent der Stimmen erhielt. Die dringlichste Aufgabe, die auf ihn zukommt, ist es, kommendes Jahr 16 Milliarden Euro zu sparen, um das Budgetdefizit auf 4,4 Prozent des BIP zu reduzieren und so die Vorgaben der EU zu erfüllen. Ein drastisches Sparprogramm in allen Bereichen (mit Ausnahme der Pensionen) soll dies bewerkstelligen und gleichzeitig die Wirtschaft Spaniens wieder in Gang gebracht werden. Wie genau der Plan aussieht, wird Rajoy demnächst den gespannten Spaniern präsentieren müssen. Angenehmes haben sie dabei nicht zu erwarten, wie Rajoy schon ankündigte: "Uns stehen schwere Zeiten bevor."

Die unumschränkte Macht Rajoys erstreckt sich auch auf seine eigene Partei. Dort sind alle kritischen Stimmen gegen den Mann verstummt, der die letzten beiden Wahlen gegen den amtierenden Ministerpräsidenten der Sozialisten (PSOE), José Luis Rodríguez Zapatero verloren hatte.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Die Sozialisten, die das Land seit mehr als sieben Jahren regieren, fuhren das schlechteste Resultat seit 1975 ein. Der wegen der Wirtschaftskrise angeschlagene Zapatero verzichtete auf einen dritten Antritt und ließ stattdessen dem früheren Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba den Vortritt als Spitzenkandidat. Den Parteivorsitz behielt Zapatero allerdings. Nun kündigte er für Februar einen Sonderparteitag an, der einen neuen Parteichef bestimmen und Spaniens Sozialisten auf eine neue Ära vorbereiten soll. Gute Chancen werden der bisherigen Verteidigungsministerin Carmen Chacón eingeräumt.

Die Unzufriedenheit linker Wähler mit den Sozialisten stärkte die Vereinte Linke (IU), die nach den vorläufigen Ergebnissen elf Sitze errang, mehr als fünfmal so viele wie 2008. Auch Nationalisten gingen gestärkt aus der Wahl hervor. Erstmals seit über einem Jahrzehnt werden wieder baskische Separatisten im spanischen Parlament vertreten sein. Der neu geschaffene Zusammenschluss Amaiur gewann auf Anhieb sieben Sitze, stieg zur stärksten politischen Kraft im Baskenland auf und ist im spanischen Parlament nun immerhin die fünftstärkste Partei. Vor ihr landete die nationalistisch-liberale katalanische Convergència i Unió, die sich von 10 Mandaten bei den letzten Wahlen 2008 auf 16 verbesserte.

Rajoy wird nun beginnen, sein Kabinett zusammenzustellen. Als Fixstarterin gilt Soraya Sáenz de Santamaría, die vor zehn Tagen Mutter geworden ist. Ihr werden gute Chancen eingeräumt auf den Posten als Vize Rajoys. Fixer Anwärter auf einen Ministerposten ist Jorge Moragas, der gerne als Schatten Rajoys bezeichnet wird. Dem Katalanen könnte das Amt des Außenministers zufallen. Ebenfalls als sicher für einen Ministerposten gilt der Bürgermeister von Madrid Alberto Ruiz-Gallardón.