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Spanier fühlen sich von ihrer Regierung falsch informiert

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Wenige Stunden vor der Öffnung der Wahllokale explodierte Samstagabend in vielen spanischen Städten der Zorn der Menschen über die Informationspolitik der Regierung, die | sofort nach den Anschlägen die Verantwortung für die furchtbaren Anschläge der baskischen Terrororganisation ETA zugeschoben und trotz gegenteiliger Indizien bis Samstag | daran festgehalten hatte. Daran konnte auch die Mitteilung von Innenminister Angel Acebes nichts mehr ändern, der am Abend die Festnahme von fünf Personen - drei Marokkaner und zwei Inder - bekannt gab.


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Nicht einmal sechs Stunden nach den Attentaten vom Donnerstagmorgen hatte Regierungschef Jose Maria Aznar Donnerstag um 13 Uhr den Chefredakteuren der großen spanischen Zeitungen in Gesprächen mitgeteilt, dass die ETA hinter den Anschlägen stehe und 15 Minuten später hatte auch Innenminister Angel Acebes in einer Pressekonferenz diese These vertreten.

Erst am Abend wurde bekannt gegeben, dass man vor dem Bahnhof in Alcala de Henares, von wo die Züge abgefahren waren, nach einem Anruf knapp vor 10 Uhr morgens einen Kleinlaster gefunden haben, in dem Zünder, Sprengstoff und eine Tonband mit Koranversen in arabischer Sprache entdeckt wurden. Das Auto war Ende Februar gestohlen worden, trug aber noch die originalen Kennzeichen - die ETA hat bei ihren Anschlägen bisher immer die Kennzeichen ausgewechselt. Sprengstoff und Zünder entsprachen nicht denen, die die baskischen Terroristen verwenden. Ein Bekenntnisschreiben an eine arabischsprachige Londoner Zeitung wurde von offiziellen spanischen Stellen ebenso als unbedeutend abgetan, wie ein Anruf von ETA-Vertretern bei einer baskischen Zeitung am Tag danach, indem die Verantwortung für die Attentate zurückgewiesen wurde.

Außenministerin Ana Palacio erteilte an alle Botschafter die Weisung, in Stellungnahmen von einer ETA-Täterschaft auszugehen. Aznar lenkte noch Freitag Vormittag allen Verdacht auf die ETA ohne deren Namen jedoch auszusprechen. Da war schon bekannt, dass die Polizei am Vorabend eine Sporttasche mit einer weiteren Bombe entdeckt hatte, die genau jenem Material entsprach, das man in dem Kleinlaster gefunden hatte.

Innenminister Acebes sprach noch Freitagabend, dass man die Spur zur ETA als Hauptspur verfolge und meinte nach dem ETA-Dementi: "Das glauben wir nicht".

Als am Samstagabend in zahlreichen Städten - in Madrid vor dem Hauptquartier der Volkspartei - tausende Menschen die Wahrheit verlangten und Transparente mit sich trugen, auf denen sie Aznar wegen seines Irak-Engagements die Schuld daran gaben, dass islamische Terroristen in Spanien Anschläge verübt hatten, trat Acebes erneut vor die Presse und gab die ersten Verhaftungen bekannt. Sie stehen im Zusammenhang mit jenem Mobiltelefon, das bei der nicht explodierten Bombe gefunden wurde. Wenig später tauchte dann in der Nähe einer Madrider Moschee ein Video auf, in dem sich die Terrororganisation El Kaida zu den Anschlägen bekannte.

Der von den Demonstrationen genervte PP-Spitzenkandidat Mariano Rajoy trat in der Parteizentrale vor die TV-Kameras, sprach von illegalen Demonstrationen und verlangte die Festnahme der dafür Verantwortlichen. Außenministerin Palacio vermutete noch am Wahltag Verbindungen zwischen ETA und El Kaida.

Sonntag wurde bekannt, dass der Name eines der drei verhafteten Marokkaner in abgehörten Gesprächen mit einer spanischen El-Kaida-Zelle aufgetaucht ist.