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Spanier stehen vor Alptraum-Jahr

Von Konstanze Walther und Hermann Sileitsch

Politik

Spanien muss sogar noch mehr einsparen als Griechenland.
| Regierung muss an allen Ecken und Enden sparen - Wirtschaft stürzt ab.


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Madrid. Mariano Rajoy könnte es sich leicht machen: Der konservative Ministerpräsident müsste nur allen Spaniern 1000 Euro abknöpfen - vom Säugling bis zum Greis. Dann wäre das Budgetloch geschlossen - allerdings nur für 2012. Wie man es auch dreht und wendet: Spanien muss schier Unmögliches vollbringen.

Auf die Bevölkerung wartet der härteste Sparkurs seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975. Binnen zwei Jahren soll das Defizit von 8,5 der Wirtschaftsleistung unter 3 Prozent sinken. Vergleichbares wird nicht einmal Griechenland abverlangt. Und das, während die Wirtschaft schrumpft und die Arbeitslosigkeit explodiert (23 Prozent der Spanier sind ohne Job, bei Jugendlichen unter 25 ist es jeder Zweite).

Investitionen massiv gekürzt

Obendrauf setzt die Regierung nun ein wahres Streichkonzert: Die Einsparungen sollen 27,3 Milliarden Euro betragen, kündigte Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría am Freitag an.

Jedes Ministerium muss sein Budget nicht - wie gedacht - um 12 Prozent, sondern um 16,9 Prozent kürzen. Die Beamtengehälter werden nicht gekürzt, aber eingefroren. Stipendien für Studenten sollen weiter ausgezahlt werden.

Empfindlich gekürzt werden hingegen die Entwicklungshilfe, das Verteidigungsbudget, die Wohnbeihilfe sowie Investitionen bei der Straßenbau-Gesellschaft und Subventionen für den öffentlichen Transport. Gespart wird obendrein bei der Industriepolitik und der Arbeitsmarktförderung.

Dass Spaniens Wirtschaft unter diesen Voraussetzungen wachsen kann, glaubt niemand.

Strom und Gas wird teurer

Auch die Steuerschraube wird ordentlich gedreht, um 12,3 Milliarden Euro ins Budget zu spülen. Dazu gehört die im Dezember 2011 angehobene Einkommensteuer. Die Mehrwertsteuer bleibt zwar unangetastet, um den Konsum nicht komplett abzuwürgen. Steuern wie etwa auf Tabak oder CO2 werden aber sehr wohl erhöht. Und die Konsumenten werden über ihre Energierechnung geschröpft: Strom wird 7 Prozent teurer, Gas um 5 Prozent. Den Weg vor den Richter werden sich die Spanier künftig wohl doppelt überlegen: In Zukunft werden empfindliche Gerichtsgebühren fällig - vor allem in der zweiten Instanz. Die ärgste soziale Not soll nun ein Hilfsfonds abfedern, der Personen am Existenzminimum die Grundnahrungsmittel finanziert und auf 60,5 Millionen Euro ausgeweitet wird.

Größere Unternehmen müssen sich auf eine - noch nicht näher definierte - Extra-Abgabe gefasst machen. Der Plan der Regierung Mariano Rajoy wandert nun ins Parlament. Am kommenden Dienstag will man die Details des Sparplans veröffentlichen.

Die Gewerkschaften, die für Donnerstag zum Generalstreik aufgerufen und nach Eigenangabe 800.000 Spanier auf die Straße gebracht hatten, wettern vor allem gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes, geringere Abfindungen bei Kündigungen und eine Verkürzung der Dauer von Unterstützungszahlungen für Erwerbslose. Auch Mitbestimmungsrechte und das Tarifsystem werden angetastet.

Spanien hat Italien längst wieder als größtes Sorgenkind der Eurozone abgelöst. Citigroup-Ökonom Willem Buiter sieht das Land sogar mit einem Fuß unter dem Rettungsschirm: Er erwartet, dass 2012 der Hilferuf erfolgt. Sollte der Kapitalmarkt als Geldquelle versiegen, würden die aufgestockten Rettungsschirme vor eine arge Belastungsprobe gestellt. "Die spanischen Auslandsschulden sind wegen ihrer absoluten Höhe unter allen Krisenländern am bedrohlichsten", sagt der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn (IfoInstitut). Dabei waren Spaniens Staatsfinanzen vor Ausbruch der Krise mustergültig. Das Problem ist die private Verschuldung nach dem Platzen der Immobilienblase. Deren Folgen wirken nach: Im Vorjahr wurden 58.000 Wohnungen und Häuser zwangsgeräumt. Teure Bankenrettungen schlugen sich aufs Staatsbudget.

Spaniens gesamte Nettoauslandsschulden seien mit 995 Milliarden Euro höher als jene Italiens, Irlands, Portugals und Griechenlands zusammen, rechnet Sinn vor.