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Sparen liegt auch im Patienten-Interesse

Von Christa Karas

Wissen

Wenn die Krankenkassen den Sparstift ansetzen - was sich im Fall von Ginkgo, Magnesium und Piracetam mit immerhin fast 400 Mill. Schilling zu Buche schlägt, die bisher pro Jahr dafür aufgewendet werden mussten -, ist der kollektive Aufschrei von Betroffenen (Patienten, Angehörigen, Selbsthilfegruppen, Ärzten und natürlich auch Herstellern) vorhersehbar. Doch gerade die gegenständlichen Präparate beweisen, dass Einsparungen dieser Art durchaus auch im Interesse der Patienten liegen. Konsultiert man weiters die neuere Fachliteratur, so zeigen sich noch ungleich größere Einsparungspotenziale.


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Gewiss: Wenn Aktionen wie "ProCerebro" Unterschriften gegen die Streichung von Ginkgo-Präparaten aus dem Kassen-Heilmittelverzeichnis sammeln, ist dies nur allzu verständlich, weil sich darin die ganze verzweifelte Hilflosigkeit gegen eine der Haupterkrankungen unserer immer älter werdenden Gesellschaft manifestiert. Denn die einzige Nachricht, die es in Sachen altersbedingter Demenz gibt, ist eine schlechte: Gegen Alzheimer & Co ist bis heute kein Kraut gewachsen bzw. gefunden worden. Ginkgo galt über Jahre hindurch, gestützt durch einige kleine, wenig aussagekräftige und mittlerweile obsolete Studien, als der Weisheit letzter Schluss nach der Devise "Hilft´s nicht, so schadet´s wenigstens nicht". Und Ärzte und Angehörige hatten das Gefühl, wenigstens irgendetwas für die Betroffenen tun zu können.

Doch die Fakten liegen längst auf dem Tisch, wie der Blick in das "Kursbuch Medikamente und Wirkstoffe" (Verlag Zabert Sandmann) deutlich macht. Unmissverständlich kommen die Autoren darin zu ihrer kurzgefassten Bewertung: "Ginkgo biloba ist zwar nebenwirkungsarm, aber nach vorliegenden Untersuchungen auch ohne jeden relevanten therapeutischen Nutzen bei der Behandlung eines geistigen Abbaus, sei es bei der Alzheimerschen Erkrankung oder bei Durchblutungsstörungen. Wir raten daher von einer Einnahme ab."

Dies gilt verstärkt auch für Piracetam, das nun ebenfalls gestrichen wird - aus guten Gründen. "Piracetam ist ein Wirkstoff, der ähnlich wie Amphetamin, zu einer unspezifischen Aktivierung im zentralen Nervensystem führt. Die positiven Folgen sind Steigerung des Antriebs und bessere Konzentration, das Risiko für Nebenwirkungen (Aggressivität, Schlaflosigkeit, eingeschränkte Fahrtüchtigkeit, Symptomverschlechterung bei Unruhe- und Angststörungen) ist aber nicht unerheblich. Eine substanzielle Besserung einer Demenz kann man mit diesem Mittel nicht erreichen." Auch hier raten die Autoren Dr. Andreas von Maxen, Dr. Gabi Hofbauer und Andreas Heeke daher von einer Einnahme ab.

Doch auch wenn Fachleute nun geltend gemacht haben, dass die freie Verschreibbarkeit von Ginkgo in manchen Fällen die Diagnose und die Therapie von Alzheimer mit "modernen Arzneimitteln" = Cholinesterasehemmern verzögert haben, so ist dies nur die halbe Wahrheit. Diese Medikamente, die den Effekt des Botenstoffs Acetylcholin im Gehirn verbessern sollen, sind laut "Kursbuch" nämlich auch nicht so toll:

"Cholinesterasehemmer sind Wirkstoffe mit einer sehr geringen Auswirkung auf die Symptome einer Alzheimerschen Erkrankung. Sie haben keinen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Leidens. Dagegen sind subjektiv unangenehme Nebenwirkungen häufig, was den Wert der Behandlung nochmals abschwächt. Wird ein Behandlungsversuch gemacht, so sollten der Erfolg, aber auch die Nebenwirkungen durch einen Arzt engmaschig kontrollirert werden."

Letztere können nämlich in Form von Appetitlosigkeit (gerade bei Alzheimer hochproblematisch), Übelkeit, verlangsamtem Herzschlag, aber auch von Schlafstörungen, Verwirrtheits- und Erregungszuständen auftreten. In Kombination mit anderen Mitteln wie etwa Betablockern werden Cholinesterasehemmer nachgerade lebensbedrohlich, da sie die Gefahr von Herzrhytmusstörungen erhöhen, im Konnex mit Rheumamitteln stehen sie im Verdacht, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu begünstigen und "von Tacrin wird wegen der häufigen Leberschäden" sogar ganz explizit abgeraten.

Wie ersichtlich, eine ganze Reihe von Gründen, die auch hierzu eine Nutzenanalyse erforderlich machen würden - und zwar ganz primär im Interesse der Betroffenen, die bekanntlich obendrein nicht einmal selbst entscheiden können, ob sie solche Mittel einnehmen wollen. Danach könnte der Hauptverband getrost auch hier den Sparstift ansetzen.

Weitere Beispiele finden sich in Hülle und Fülle. Und zwar ungleich bedenklichere als Magnesium, dessen therapeutische Wirksamkeit bei Muskelkrämpfen ungefähr so groß wie die eines Placebos, also "nur bei einem echten Magnesiummangel nachgewiesen" ist, und das hier sowieso nur erwähnt wird, weil sich´s die Freizeitsportler künftig selbst kaufen muss, wenn er keine Aufwärmübungen macht.