Der Rechtsliberale erläutert im Interview, wie Riga aus der Krise fand.
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"Wiener Zeitung":
Welche Lehren hat Lettland aus der Euro-Krise gezogen und wie hat das Land auf die Krise reagiert?Valdis Dombrovskis: Am wichtigsten war in unserem Fall, dass wir die notwendigen Anpassungen und Reformen von Anfang an nicht verzögert haben. Wir haben bereits 2009, während die Krise sich zu entwickeln begann, hart darum gerungen, die Stabilität der Wirtschaft im Land wiederherzustellen. Nachdem wir unseren Finanzsektor abgesichert hatten, konnten wir auf den Wachstumspfad zurückkehren.
Ganz so einfach funktioniert es wohl nicht...
Doch. Es ist nämlich so: Wenn man keine fiskalische Stabilität hat, dann werden die Banken keine Kredite vergeben, die Unternehmer nicht investieren und die Bürger kein Geld ausgeben. So rutscht man immer tiefer in die Rezession. Die genau entgegengesetzten Effekte treten ein, sobald man wieder zur Stabilität zurückkehrt: Die Banken verleihen Geld, die Unternehmer investieren und die Bürger konsumieren. So kommt man langsam aus dem Jammertal heraus. Aber das alleine reicht natürlich nicht: Wir mussten viele Strukturreformen angehen, Überregulierung zurückdrängen und andere Maßnahmen setzen.
Das Ergebnis ist, dass wir zehn Positionen im Weltbankreport gutmachen konnten, in dem gemessen wird, wie einfach oder kompliziert es ist, in bestimmten Ländern unternehmerisch tätig zu sein. Im Wettbewerbs-Index des World Economic Forum konnten wir ebenfalls neun Positionen nach oben klettern. Unsere Anpassungen und Reformen scheinen also Früchte getragen zu haben. Wir haben aber natürlich auch Stimuli gesetzt. So ist es uns gelungen, an Mittel des EU-Strukturfonds zu kommen, um damit der Wirtschaft die so dringend benötigten Impulse geben zu können. Diese EU-Strukturmittel waren tatsächlich die wichtigste Quelle zur Finanzierung unseres Wirtschaftsförderungsprogramms.
Wie haben Sie diese Mittel eingesetzt?
Wir haben einerseits Jungunternehmertum, Start-ups und Entrepreneurship gefördert, haben der Industrieproduktion und der Exportwirtschaft Impulse gegeben und konnten zudem Mittel aus dem Sozialfonds der EU einsetzen, um die sozialen Konsequenzen der Krise abzumildern. Dadurch gelang es uns, zur am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft in der Europäischen Union aufzusteigen - mit einem Wachstum von zuletzt 5,1 Prozent.
Sie haben den Begriff "GrowthSterity" geprägt. Was meinen Sie damit?
Damit wollten wir den scheinbaren Widerspruch zwischen Wachstum und Sparpolitik ansprechen. Manche meinen ja, Austerität würde das Wachstum abwürgen. Lettland fuhr 2007 den härtesten Sparkurs der EU, gleichzeitig haben wir heute das höchste Wachstum. Gemeinsam mit dem finnischen Premier Jyrki Katainen haben wir im März dann das Schlagwort "GrowthSterity" geprägt. GrowthSterity funktioniert - Lettland ist der Beweis. Gibt es also gar keinen so großen Widerspruch zwischen Wachstum und Austerität? Wir meinen: Man braucht Fiskal-Stabilität und somit Austerität, um zu Wachstum zu kommen.
In der Eurozone wird derzeit heftig über eine Banken-Union diskutiert. Wie denkt Lettland als Nicht-Euro-Mitglied über derartige Pläne?
Man muss in jedem Fall die Überwachung und Regulation der Banken verbessern. Im Moment diskutieren wir, wie das funktionieren soll. Und da warten wir auf Vorschläge. Etwa: Können Länder, die nicht der Eurozone angehören, einer Bankenunion beitreten?
Man muss noch über eine ganze Menge Details sprechen. Ich gehe aber davon aus, dass, wenn die Europäische Zentralbank Überwachung und Regulierung bei der Bankenunion übernimmt, diese auch mit EZB-Liquidität abgesichert sein wird.
Lettland will wie geplant 2014 der Euro-Zone beitreten?
Genau: Das wollen wir nach wie vor.
Zur Person: Valdis Dombrovskis (44)
studierte Physik und Wirtschaftswissenschaften. Der Mitbegründer der rechtsliberalen Partei Jaunais Laiks und steht seit März 2010 an der Spitze der lettischen Regierung.