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Sparen wir uns zu Tode?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Eine Ergänzung des Fiskalpakts um ein Wachstumspaket wäre grundsätzlich vernünftig. Die Crux liegt in der Ausgestaltung eines solchen Pakts.


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Die im Euro-Fiskalpakt vorgesehenen Ziele des Defizitabbaus und der Rückführung der Verschuldungsquoten auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen im Kreuzfeuer der Kritik von Ökonomen, aber auch eine wachsende Zahl führender Politiker geht auf Distanz. So hat Spanien wissen lassen, dass es das Defizitziel für heuer nicht einhalten wird können. Maßgebliche griechische Politiker haben bereits vor den Wahlen die Rücknahme von Sparmaßnahmen, welche die Expertenregierung beschlossen hatte, angekündigt. Und auch in den Niederlanden, wo die Regierung bei der Beschlussfassung über das Sparbudget gescheitert ist, mehren sich die Stimmen für Abmilderungen der Sparvorgaben.

Deutschland gerät zunehmend mit seiner gemeinsam mit Frankreich den Euroländern auferlegten bitteren Sparmedizin in die Isolation. Tatsächlich besteht die Gefahr eines Teufelskreises. Scharfe Einsparungen in den öffentlichen Haushalten drücken auf die Nachfrage, reduzieren das Wachstum und damit die Staatseinnahmen, was noch härtere Sparmaßnahmen zur Erreichung der Budgetziele erfordert.

Daher die grundsätzlich vernünftige Forderung nach einer Ergänzung des Fiskalpakts um einen Wachstumspakt. Die Crux liegt in der Ausgestaltung eines solchen Pakts. Sollten die Budgetziele der verschiedenen Staaten durch höhere Schuldenaufnahmen aufgeweicht werden, drohen scharfe Reaktionen der Finanzmärkte: ein Rückzug aus der Finanzierung hochverschuldeter Euroländer und damit eine sprunghafte Erhöhung der Zinsen für die Staatsschuld, was die Ausgabeneinsparungen konterkarieren und damit ebenfalls einen Circulus vitiosus auslösen würde. Der Teufel würde dann mit dem Beelzebuben ausgetrieben.

Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation? Auf europäischer Ebene sind die Aufstockung der Ausleihungskapazität der Europäischen Investitionsbank und der weitgehende Verzicht auf nationale Kofinanzierungen von EU-Projekten beschlossene Sache. Was noch fehlt, ist eine strenge inhaltliche Prüfung solcher Projekte auf ihre Sinnhaftigkeit und Wachstumswirkung.

Ein wesentlicher Beitrag müsste von den hochverschuldeten Euroländern selbst kommen, indem sie ihre Sparprogramme stärker auf die Kürzung laufender Ausgaben ohne nachhaltigen Wachstumseffekt fokussieren und dafür investive Ausgaben in Bildung, Innovation und Wirtschaftsinfrastruktur forcieren. Vor allem bedarf es - meist wenig kostspieliger, aber schmerzhafter - Strukturreformen zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes für ausländische Investitionen, wie zum Beispiel der Liberalisierung der Arbeits- und Dienstleistungsmärkte oder der Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmen.

Ein so gestaltetes Sparprogramm ist politisch noch unpopulärer, würde aber international mehr Vertrauen bei Gläubigern und Investoren schaffen als ein um ein paar zehntel Prozent reduziertes Defizitziel, das dann doch wieder verfehlt wird. Vor allem würde es die Basis für ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum legen.