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"Sparen wird die Euro-Krise nicht beenden"

Von Herrmann Sileitsch

Wirtschaft
Galbraith: Europa muss Entscheidung treffen. Foto: Walch

US-Ökonom James K. Galbraith im WZ-Gespräch. | Finanzmärkte honorieren die Anstrengung nicht. | Eurozone muss Wirtschaftseinheit werden. | Wien.Die Krise in der Eurozone wird sich weiter vertiefen, ist der US-Ökonom James K. Galbraith überzeugt. Die Strategie, dass Griechenland, Irland und die anderen Problemländer mit Sparpaketen ihre Schulden in den Griff bekommen sollen, um das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen, werde nämlich nicht aufgehen. | Das komplette Interview mit James K. Galbraith


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"Der Öffentlichkeit wird weisgemacht, diese Länder müssten nur ihr Verhalten ändern und sparen, damit ihnen die privaten Kreditmärkte wieder offen stehen. Das ist aber falsch, wie das Beispiel Irland zeigt: Drei Jahre brutaler Sparprogramme haben dem Land keine Verbesserung der Kreditwürdigkeit gebracht, im Gegenteil." Die Investoren entschieden nämlich nicht aufgrund der Fakten, sondern seien getrieben von den erwarteten Marktreaktionen - also spekulativen Interessen. Dass Griechenland und Co. rigorose Sparkurse fahren, nur um kooperativ gegenüber den Partnerländern der Eurozone zu sein, die ihnen mit Krediten aushelfen, sei nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich, weil das Wachstum abgewürgt werde.

Für effiziente Lösungen fehle Europa der politische Wille: "Am Ende wird sich die Eurozone entscheiden müssen, ob sie eine wirtschaftliche Einheit ist oder nicht. Sie ist es in vielen Bereichen, nur wenn es um die Finanzierung der nationalen Budgets geht, tut sie so, als wäre jeder für sich verantwortlich. Das ist keine haltbare Situation - weder für die Schuldnerländer, aber auch nicht für die Gläubiger, die am Ende Verluste machen werden." Eine Lösung könnte die Finanzierung über gemeinsame Staatsanleihen sein - das haben aber Deutschland und Frankreich soeben abgelehnt.

Für große wirtschaftliche Einheiten wie Europa als Ganzes oder die USA sieht Galbraith keinerlei Schuldenprobleme. Nicht einmal, dass die USA nur in 5 der letzten 60 Jahre Budgetüberschüsse erzielt haben, gibt ihm zu denken: "Überschüsse sind speziell für große Volkswirtschaften sogar extrem gefährlich: Es bedeutet, dass eine Regierung Geld aus dem privaten Sektor abzieht. Die Unternehmen schränken daraufhin ihre Investitionen ein. In der gesamten Geschichte der USA gab es sieben Mal Überschüsse und diese waren jedes Mal von einer Rezession oder Depression gefolgt."

Europa sollte sich mit den finanziell schlechter gestellten Ländern ein Beispiel am "New Deal" der USA nehmen: Dieser habe vor mehr als 70 Jahren nicht nur das Ziel verfolgt, mit gewaltigen staatlichen Bauprojekten die Krise zu überwinden, sondern unterstützte zugleich den Aufholprozess der südlichen Staaten. Das habe - zusammen mit der militärischen Mobilisierung- geholfen, die Große Depression zu überwinden.

James K. Galbraith lehrt an der University of Texas at Austin. Der Sohn des berühmten Ökonomen und Chronisten der Großen Depression, John Kenneth Galbraith, ist überzeugter Keynesianer, das heißt, er befürwortet die Wirtschaftsankurbelung durch Staatsausgaben. Er war auf Einladung von Attac, der Gewerkschaft GPA-djp, des Forschungsinstitutes Forba und des Instituts für Politikwissenschaften in Wien.